Sektion Ulm
Die Rolle Deutschlands als Drehscheibe der NATO in Europa und die zivilmilitärische Zusammenarbeit hinsichtlich konfliktsicherer Gesundheitsversorgung
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Nachbericht zur Veranstaltung am 26.11.2024
„Die Rolle Deutschlands als Drehscheibe der NATO in Europa und die zivilmilitärische Zusammenarbeit hinsichtlich konfliktsicherer Gesundheitsversorgung“
Referent: Generalarzt Dr. Johannes Backus, stellvertretender Inspekteur des Sanitätsdienstes und Kommandeur Gesundheitseinrichtungen
Nahezu 150 Teilnehmer, darunter zahlreiche Soldaten des Sanitätsregiments 3 aus Dornstadt, vom Bundeswehrkrankenhaus Ulm sowie vom Instandsetzungszentrum 12 aus Ummendorf waren auf Einladung der GSP-Sektion Ulm mit den Kooperationspartnern DWT und DBwV in das Casino der Rommelkaserne zum Vortrag von Generalarzt Dr. Backus gekommen.
Generalarzt Dr. Backus stellte zu Beginn seines Vortrages die Frage, wie sich die Bundesrepublik Deutschland und der Sanitätsdienst der Bundeswehr auf einen möglichen Krisen- und Ernstfall vorbereitet. Er erinnerte an die Strukturen der Landes-und Bündnisverteidigung zu Zeiten des kalten Krieges bis zum Ende der 90er Jahre. Mit der Rede Putins 2010 bei der Münchner Sicherheitskonferenz, der Annexion der Krim 2014 und spätestens seit der großangelegten Invasion russischer Truppen in der Ukraine am 24.02.2022, kam es zur Neuausrichtung der Verteidigungspolitik. Von Krisenbewältigung und Konfliktverhütung out-of area, kehrte die Bundeswehr zurück zum alten Kernauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung. Als Ausgangslage für die weitere Betrachtung der neuen Rolle Deutschlands ist hier die bemerkenswerte Rede vom Bundeskanzler Scholz am 27.02.2022, die den 24.02.2022 als Zeitenwende markiert und als Resultat u.a. erstmals ein Sondervermögen für die Bw in Höhe von 100 Milliarden vorsieht. Es folgten neue operative Leitlinien für die nationalen Vorbereitungen der Planung und Kräfteregenerierung. In diesem Rahmen erfolgen die LV / BV im Verbund aller Fähigkeiten der Bw und stets multinational. Die Handlungsfähigkeit der NATO und EU beruht auf der Aufgabenerfüllung Deutschlands als Truppensteller und Host Nation, z.B. als Transitland und Drehscheibe für die Verlegung von Kräften an die Ostflanke der NATO, sowie auf den militärisch oder auch zivil bereitgestellten Unterstützungsleistungen, insbesondere der sanitätsdienstlichen Versorgung.
Der Sanitätsdienst als wichtiger Baustein in der zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ). Hier ist das Deutsche Rote Kreuz -DRK- eine Organisation, die einen besonderen Stellenwert hat, so GA Dr. Backus. Sie ist keine nichtstaatliche und keine staatliche Organisation, sie ist eine nationale Hilfsgesellschaft die sich nach der Auflösung durch die Alliierten1945 neu aufgestellt und konzipiert hat und sich per Gesetz zur sanitätsdienstlichen Beistandsunterstützung in Hilfszeiten verpflichtet hat. Das DRK als Organisation hat die Garantenstellung dem Sanitätsdienst der Bw, insbesondere im Falle der LV, beizustehen.
Der Sanitätsdienst sei gerade dabei, die Zeitenwende international ins Leben zu rufen. Sehr anschaulich stellte er den eigentlichen Aspekt der ZMZ dar: Streitkräfte werden bei der Erfüllung ihres Auftrages von ziviler Seite unterstützt, u.a. durch die Bereitstellung von Transportraum. Anderseits stelle der Sanitätsdienst im Rahmen des Katastrophenschutzes gem. Art. 35 GG auf Antrag der Länder sanitätsdienstliche Unterstützungsleistungen. Sachbezogen erläuterte der Referent die Rettungskette als Medizinischer Qualitätsstandard weltweit und die Möglichkeiten des Sanitätsdienstes der Bw, die Gesundheitsversorgung der Soldaten im Frieden und im Krisenfall sicherzustellen. Das erfordere eine intensive Kooperation von Kliniken der Berufsgenossenschaft, der RK-Krankenhäuser den Universitätskliniken und dem Sanitätsdienst der Bw, die gemeinsam eine Sicherstellung der Versorgung in Frieden, Krise und Krieg gewährleisten. So werden heute bewusst Kriegsverletzte (z.B. aus der Ukraine) in diesen Kliniken versorgt, um Klinikpersonal mit Mustern von Kriegsverletzungen und den damit folgenden anderen Behandlungserfordernissen vertraut zu machen. Sehr wichtig in diesem Kontext sind die Übungen QUADRIGA zu sehen, in denen verschiedene Szenarien der LV /BV die Rettung und Versorgung von verwundeten Soldaten innerhalb der Rettungskette geübt werden.
Letztlich wies der Referent auf die Wichtigkeit von Gesundheitssicherstellung und – Vorsorgegesetz hin, welches ressortübergreifend eine Koordination und eine Regelung der Verantwortlichkeiten in der Gesundheitsversorgung sicherstellen soll. Durch diese gesetzmäßige Verflechtung ist u.a. der Zugang zum zivilen Gesundheitssystem ohne weitere Verfahren möglich. Für eine effizientere Gesundheitsversorgung ist in diesem Zusammenhang eine Reform des Krankenhauswesens dringend erforderlich.
Unsere Gesellschaft befindet sich trotz steigender Bedrohungen und einem Krieg in Europa immer noch im Friedensmodus. „Wir sind leider nicht nur von Freunden umgeben!“ Die täglichen Nachrichten aus der Ukraine belegen dieses eindeutig. Vor diesem Hintergrund sind die Herausforderungen zur Stärkung der Resilienz DEU bei Krise, Konflikt und Krieg als gesamtstaatliche und gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu bewältigen, davon ist der Generalarzt überzeugt.
(Autor: StHptm a.D. Walter Proneth)