Nachdem wir uns beim letzten Vortrag mit der aktuellen Entwicklung der Lage im Nahen Osten beschäftigt haben, wollen wir im kommenden Vortrag den Blick auf eine Region werfen, die bald zu einem heissen geopolitischen hotspot werden könnte: der Arktis.
Das ewige Eis schmilzt rasant und arktische Räume werden immer leichter und länger zugänglich. Auf dem Land können die Bodenschätze leichter abgebaut werden - und der Schiffsverkehr nimmt zu. Das schmelzende Eis – die Region der nördlichen Barentsee erwärmt sich 5-6x schneller als der globale Durchschnitt- macht den Weg frei für Öl-und Gassucher, Reedereien und Fischer. In der Arktis lagern vermutlich 90 Mrd Barrel Erdöl, die noch nicht entdeckt sind aber gefördert werden könnten.
Der Klimawandel birgt viele Gefahren und macht die Region zum Objekt widerstreitender Interessen und Machtkonflikte. Es ist dünnes Eis, auf dem sich die Großmächte USA, China und Russland bewegen und um die Vorherrschaft in der Arktis streiten. Da verdient eine vordergründig unscheinbare Notiz nähere Betrachtung: am 19.12.23 gab das US-Aussenministerium eine Ausdehnung des von den USA beanspruchten erweiterten Festlandssockels bekannt. Nach Art. 76 des UN-Seerechtsübereinkommens hätten die USA damit das Recht zur Ausbeutung der im Boden befindlichen Ressourcen. Auf der anderen Seite versucht Russland seit 2001, eine Erweiterung seines Festlandssockels ( des sog. Lomonosov-Rückens ) , der sich über den Nordpol erstreckt und ca. 1,2 Mill. Quadratkilometer umfasst, bei der Festlandsockelkommission der VN durchzusetzen. Grund: im arktischen Raum liegen 60% der russischen Gas-und Öl-Reserven. Darüber wurde jedoch wegen konkurrierender Ansprüche der Anrainerstaaten Dänemark und Kanada noch nicht entschieden. Geleichzeitig hat Russland unbenommen einer Entscheidung bereits seit 20 Jahren begonnen, grosse wirtschaftliche und militärische Kapazitäten entlang der Nordostpassage aufzubauen und seine arktischen Ambitionen auch mit Rüstungsprogrammen zu unterlegen. In
Sabetta, 600 km nördlich des Polarkreises auf einer 700 km langen Landzunge an der Mündung des Ob in die Karasee ist der grösste Energiestandort Russlands für LNG ( Flüssiggas) entstanden. Atomgetriebene Eisbrecher-Tanker können den Hafen auch anfahren, wenn das Meereis noch nicht geschmolzen ist.So wurden in den letzten zehn Jahren sieben Militärbasen zwischen der norwegisch-russischen Grenze und der Beringsee neu errichtet und mit S-400-Boden-Luft-Batterien ausgestattet. Die 2007 von der russischen Flotte unter dem Nordpol platzierte russische Flagge symbolisiert nicht von ungefähr den russischen Anspruch. Bezeichnend ist auch die Behauptung von Aussenminister Lawrow bei der Sitzung des Arktischen Rats 2021, die gesamte Arktis sei russisches Territorium.
Aber auch China engagiert sich zunehmend im Eismeer, indem es sich zu 1/3 an Russlands Yamal-Flüssiggas-Projekt beteiligt hat und den Ausbau der russischen Flüssigkeitskapazitäten finanziell unterstützt. Chinas Staatsreederei Cosco hat ausserdem angekündigt, die „polare Seidenstrasse“ verstärkt zu nutzen, da dies die Strecke zwischen Shanghai und Hamburg um 4000 km verkürzt.
Sind wir schon in einem neuen kalten Krieg? Welche Bedeutung hat der arktisch-nordatlantische Raum für Deutschland? Diese und viele andere Fragen wird unser Spezialist für die Arktisregion, Dr. phil. Michael Paul behandeln und beantworten.
Referent: Dr. Michael Paul
, Senior Fellow SWP- -Forschungsgruppe Sicherheitspolitik
Dr. phil. Michael Paul ist Senior Fellow der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), in Berlin, Mitglied des Arktisdialogs des Alfred-Wegener-Instituts, Leiter des Gesprächskreises „Maritime Sicherheit“ der SWP . Von 2018 bis 2019 war er Mitglied des Expertenteams im Themenzyklus „Meere und Ozeane“ des Runden Tischs der Bundesregierung. Er hat zahlreiche Schriften veröffentlicht, zuletzt über Russland in der Arktis sowie als „Grundlagenwerk“(taz) : Kriegsgefahr im Pazifik? Die maritime Bedeutung der sino-amerikanischen Rivalität.