Sektion Ingolstadt

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Donnerstag, 30.06.2022 - 19:00

30 Jahre nach dem Zerfall Jugoslawiens: Lehren der Balkan-Kriege für die Ukraine

Eine Kooperationsveranstaltung der GSP Sektion Ingolstadt mit dem VdRBw GeschSt Ingolstadt

Der brutale Aggressions- und Vernichtungskrieg Russlands gegen die Ukraine hat Europa aufgerüttelt. Mit großem Entsetzen und Erstaunen stellen einige Politiker nun fest, dass Krieg in Europa wieder möglich ist. Allein dies ist schon verwunderlich, denn die teilweise verbreitete Annahme, der jetzige Krieg sei der erste militärische Konflikt in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg, ist falsch. Diese Sichtweise zeigt aber, dass die russischen Aggressionen im Donbass und auf der Krim (2014), der russische Vernichtungskrieg in Syrien (2015), der Überfall auf Georgien (2008) und die damit verbundene de facto Annexion Südossetiens und Abchasiens, nicht auf dem „Radarschirm“ von Teilen des politischen Berlins, der Medien und Öffentlichkeit waren. Noch weniger präsent sind die Kriege und Konflikte im ehemaligen Jugoslawien, die von 1991 bis 1999 fast 150.000 Tote, über vier Millionen Flüchtlinge und Hunderttausende Verwundete forderten. Für die Opfer muss es sich wie Hohn anhören, dass ihr Schicksal weitgehend vergessen wurde. Selbst die Tatsache, dass der erste NATO-Kampfeinsatz im Zuge des Bosnien-Krieges nach dem serbischen Artillerie-Massaker in Sarajevo 1994 stattfand, scheint weitgehend vergessen. Ein Jahr später half die NATO mit umfassenden Luftangriffen auf serbische Stellungen, den Krieg zu beenden. Im Kosovo verhinderte die NATO 1999 einen Völkermord, der den von Srebrenica hätte übersteigen können. Diese den Frieden herbeibombenden Kriegseinsätze mit und ohne U.N.-Sicherheitsratsmandat standen am Ende einer jahrelangen Beschwichtigungspolitik der U.N. und der EU, an deren Ende der Genozid von Srebrenica (1995) stand, der erste Völkermord in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Und dieser Tage sieht sich Europa wieder mit Krieg und möglichem Völkermord, so unter anderem in Mariupol, konfrontiert. Die U.N.-Ermittler sind bereits seit Wochen in der Ukraine, um Kriegsverbrechen der russischen Aggressoren zu untersuchen. Der Vorläufer des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH) war das ad hoc Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY), das der U.N.-Sicherheitsrat 1993 aus der Taufe hob. Dieser Strafgerichtshof hat in seinem 24-jährigen Bestehen den Opfern Namen gegeben und Täter bestraft, die sich, während sie diese Menschheitsverbrechen verübten, völlig sicher fühlten. Mit Slobodan Milosevic kam erstmals ein Staatspräsident vor Gericht, ebenso Serbenführer Radovan Karadzic, sein Armeechef General Ratko Mladic und Dutzende andere hohe politische und militärische Funktionsträger. Dies sollte auch für Präsident Wladimir Putin und seine Clique eine Warnung sein. Die Art der Kriegführung der russischen Armee gleicht derer der serbischen während der Balkan-Kriege der 1990er Jahre. Die „Blut-und-Boden“-Politik, gekoppelt mit schwersten Kriegsverbrechen und ethnischen „Säuberungen“, ist kein Zufallsprodukt oder Kollateralschaden, sondern integraler Bestandteil der Kriegführung: Die Auslöschung der Gegner und deren Kultur, die Besetzung von Territorien und deren Annexion sind damals in Kroatien, Bosnien und Herzegowina und dem Kosovo wie heute in der Ukraine die Kriegsziele der serbischen und russischen Aggressoren. Damals hat die internationale Gemeinschaft in Form der U.N. und der E.U. über vier Jahre hinweg die Aggressoren versucht zu beschwichtigen. Diese Appeasement-Politik im Geiste Chamberlains und Daladiers im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs, verkörpert durch den U.N.-Unterhändler Yasushi Akashi und dem EU-Gesandten Lord David Owen, führte in die Katastrophe. Nach vier Monaten Krieg gibt es nun tatsächlich Stimmen, so aus Paris, die fordern, man dürfe Russland „nicht demütigen“. Andere warnen davor den Aggressor Putin „in die Ecke zu drängen“. Stehen wir also nach den Erfahrungen von Srebrenica und Mariupol wieder vor einem neuen Appeasement? Soll der Aggressor, wie damals Milosevic, mit knapp 50% eines Landes beschwichtigt werden? Denn so viel bekamen die Serben nach ihrem Vernichtungskrieg zugesprochen. Und 27 Jahre nach Kriegsende stehen Bosnien und Herzegowina wieder am Rande eines Krieges, da der bosnische Serbenführer Milorad Dodik, flankiert vom serbischen Präsidenten Aleksandar Vucic, den serbischen Landesteil abspalten und Serbien angliedern will. Dies geschieht im Windschatten der russischen Aggression und mit Putins Hilfe.
Vortrag und Diskussion
Referent: Herr Dipl.-Pol. Alexander Rhotert

Alexander Rhotert ist Politikwissenschaftler und derzeit als Publizist und Politikberater tätig. Er war von 1999 bis 2016 Politischer Berater für die EU und OSZE in Bosnien und Herzegowina sowie Sonderberater und Kabinettschef im Büro des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina (OHR). 

Ort: Barocksaal des Stadtmuseums Ingolstadt - Auf der Schanz 45 , 85049 Ingolstadt
Organisator: Oberstleutnant d.R. Dr. Thomas Müller thomas2mueller@bundeswehr.org

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