Sektion Elbe-Weser
"Doppelte Zeitenwende" – Deutschlands und Europas Verantwortung in einer neuen Weltordnung
Jütlandstraße 30, 27432 Bremervörde 04761 / 70121
Doppelte Zeitenwende - Deutschlands und Europas Verantwortung in einer neuen Weltordnung
Rückblick auf den Vortrag von Dr. Dan Krause am 24. April 2025 im EWE-Kundenzentrum
Deutschland und Europa sind sowohl mit ihrem Wirtschafts- als auch mit ihrem Gesellschaftsmodell auf das Fundament einer regelbasierten Weltordnung angewiesen. Doch dieses Fundament ist in den letzten Jahren erheblichen Erschütterungen ausgesetzt worden. Auf Einladung der Sektion Elbe-Weser der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) analysierte der Politikwissenschaftler Dr. Dan Krause, Leiter der Programmlinie „Europa und internationale Politik“ bei der Helmut Schmidt Stiftung in Hamburg, im vollbesetzten Saal des Kundenzentrums der EWE in Bremervörde.
Als der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede am 27. Februar 2022 im Bundestag anlässlich des russischen Angriffs auf die Ukraine von einer „Zeitenwende“ sprach, sei dies nicht das erste Mal gewesen, dass man in Deutschland davon gehört habe, in einer dynamischen Welt zu leben, in der es keine selbstverständlichen Garantien gäbe, so Dr. Krause. Bereits 2014/2015 habe Außenminister Steinmeier angesichts der Flüchtlingsströme festgestellt, die Welt sei aus den Fugen. Und auch damit sei es nicht getan. „Wir haben die Realität nicht wahrgenommen“ diagnostiziert der Politikwissenschaftler. Allein in diesem Jahrtausend, angefangen bei den Angriffen auf das World Trade Center 2001 über die Finanzkrise bis hin zum aktuellen Krieg in der Ukraine habe es immer Krisen, Konflikte und Verwerfungen gegeben. Mit dem Überfall auf die Ukraine und der Wahl Präsident Trumps seien diese Realitäten näher an Deutschland und Europa herangerückt. Näher herangerückt, weil die USA nicht erst unter Trump von Europa abgerückt sind, um sich der steigenden Konkurrenz Chinas zu widmen. „Der erste pazifische Präsident war Obama!“ erinnerte Dr. Krause die Zuhörer und mahnte an, Europa müsse endlich ins Handeln kommen. Was das bedeute machten die Worte des indischen Außenministers Jaishankar 2023 deutlich: “Europa muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass Europas Probleme die Probleme der ganzen Welt sind…“. Tatsächlich, so Dr. Krause, den in seine wissenschaftliche Laufbahn auch nach Süd-Afrika und Indien führte, habe Europa und der Westen viel Glaubwürdigkeit in der restlichen Welt, gerade im sogenannten Globalen Süden (GS), verloren, und das zweifach. Zum einen glaube man im GS, dass sämtliche westlichen Institutionen ausschließlich westlichen Interessen dienten, zum anderen wachsen immer mehr Zweifel, dass der Westen überhaupt in der Lage ist, seinen Worten Taten folgen zu lassen. An mehreren Beispielen beschrieb Dr. Krause die Enttäuschungen in großen Teilen der Welt. „Europäer halten Vorträge über Menschenrechte und geben wenig Geld, die Chinesen machen es umgekehrt!“ zitierte der Politikwissenschaftler einen Vertreter des GS. Für die restliche Welt gibt es keine Zeitenwende, bestätigte Dr. Krause den indischen Außenminister. Für sie habe die Welt nie Fugen gehabt. Der sogenannte Kampf gegen den Terror nach dem 11. September 2011 sei politiktheoretisch motiviert. Die wissenschaftlich begründete Überzeugung, Demokratien führen keine Kriege, also müssten alle Länder in Demokratien überführt werden habe „Moralbellizisten“ hervorgebracht. Mit dem Ergebnis haben wir jetzt zu kämpfen: Flüchtlingsbewegungen, die Entstehung des Islamischen Staates, Failed States und das Scheitern Europas.
Was ist zu tun? „Unsere Außenpolitik muss entideologisiertwerden“ meint Dr. Krause. Gemeinsame Problem und Interessen müssten - auf Basis des Völkerrechts und der Charta der Vereinten Nationen - ideologiefrei diagnostiziert und bearbeitet werden. „Die Eliten im Westen sind eingeschlafen“ erklärte Dr. Krause in der anschließenden Fragerunde. Wenn man in China Europa als relevantes Thema betrachte, würden in Windeseile zusätzlich zu den zahllosen Experten noch 30 Professuren geschaffen, Süd-Korea stelle viel Manpower zur Erlangung einer Deutschland-Expertise. Dagegen gebe es in Deutschland gerade mal einen Fachmann für Korea – von Süd-Korea bezahlt. „Wir müssen auf dem Feld der Außen- und Sicherheitspolitik, der Verteidigungspolitik und der Finanzpolitik eine strategische Handlungsfähigkeit erlangen, und dazu bedürfe es vor allem eines politischen und gesellschaftlichen Mentalitätswechsels.