Sektion Wilhelmshaven/Friesland

Sektion Wilhelmshaven/Friesland

Dienstag, 03.06.2025 - 19:00

Überlegungen zur Kriegstüchtigkeit der Bundesrepublik Deutschland

Dass Europa und damit insbesondere auch die Bundesrepublik Deutschland die Verteidigungsanstrengungen verstärken müssen, ist spätestens seit Kanzlerin Angela Merkels „Bierzeltrede“ am 28. Mai 2017 in München ein Allgemeinplatz. Konsequenzen sind dieser Einsicht indes kaum gefolgt. Erst die „Zeitenwende“-Rede“ von Kanzler Olaf Scholz am 27. Februar 2022 im Deutschen Bundestag markierte einen tiefgreifenden Kurswechsel in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik, der vor allem die Modernisierung und Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik zum Ziel hatte.
Vortrag und Diskussion

Verteidigungsminister Boris Pistorius verwendete am 29. Oktober 2023 in der ZDF-Sendung ‚Berlin direkt‘ erstmals den Begriff „kriegstüchtig“: „Wir müssen uns wieder an den Gedanken gewöhnen, dass die Gefahr eines Krieges in Europa drohen könnte. Und das heißt: Wir müssen kriegstüchtig werden. Wir müssen wehrhaft sein. Und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen.“ Auf der Bundeswehrtagung am 10. November 2023 in Berlin führte der Verteidigungsminister umfassender dazu aus, dass Deutschland kriegstüchtig werden müsse. Er meinte damit nicht, dass Deutschland einen Krieg anstreben solle, sondern dass die Bundesrepublik vor dem Hintergrund der Bedrohungslage, insbesondere durch Russland angesichts dessen massiven Angriffskriegs gegen die Ukraine, in der Lage sein müsse, sich und seine Partner im Ernstfall verteidigen zu können. Pistorius warnte, dass Deutschland und Europa sich auf eine unsicherere Welt einstellen müssten, und dass Verteidigungsfähigkeit wieder ein zentraler Teil staatlicher Verantwortung werden müsse. Seine Kernbotschaft war: Abschreckung durch glaubwürdige militärische Stärke ist nötig, um Frieden zu sichern. Dazu gehöre eine bessere Ausstattung und Vorbereitung der Bundeswehr, sowohl materiell als auch mental – also auch eine Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins für Verteidigungsfragen.

Pistorius‘ Wortwahl „kriegstüchtig“ wurde vielfach als an den Sprachgebrauch im Nationalsozialismus erinnernd, als martialisch oder aggressiv, zumindest als in mehrerer Hinsicht fehlleitend kritisiert. Etliche Stimmen warnten vor unbegründeter Aufrüstung und einer Militarisierung der Gesellschaft. Während im Nachgang zu Pistorius‘ Rede der Begriff „kriegstüchtig“ in Grundlagendokumente der Bundesregierung keinen Eingang gefunden hat – so sagt z. B. die „Nationale Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie“, Deutschland müsse „schnellstmöglich wehrhaft werden“–, wird der Begriff im Geschäftsbereich des BMVg, zumal in den Streitkräften und von deren Führung, weiterhin genutzt.

Vor dem Hintergrund der Debatten um die Wiederbewaffnung in den 50er Jahren, um die Notstandsverfassung in den 60er Jahren, um die Nachrüstung in den 80er Jahren und um den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland in den 90er Jahren, ist, ungeachtet des gegenwärtig in der Bundesrepublik deutlich gestiegenen Bewusstseins für den Wert militärischer Abschreckung, für einen vergleichsweise hohen Anteil der deutschen Gesellschaft eine Aversion gegen alles Militärische, eine pazifistische Grundeinstellung oder eine Haltung zu konstatieren, die Gesinnungsethik über Verantwortungsethik stellt.

Nun haben nicht nur der verbrecherische Krieg Russlands gegen die Ukraine und russische Drohungen gegen NATO und EU bzw. deren Mitgliedstaaten die Notwendigkeit einer Neuausrichtung der deutschen Verteidigungspolitik und der deutschen Rüstungsanstrengungen deutlich gemacht; angesichts der US-amerikanischen Aufkündigung der Wertegemeinschaft der NATO sowie der sicherheitspolitischen Solidarität mit Kanada und den europäischen Allianzmitgliedern steht insbesondere Deutschland vor enormen Herausforderungen. Nun gilt es eine wahre Zeitenwende zu schaffen. Die Sicherheit und Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland beruhen auf einem gesamtstaatlichen und gesamtgesellschaftlichen Ansatz. Dies erfordert das Zusammenwirken aller relevanten Akteurinnen und Akteure. Und genau das meint Verteidigungsminister Pistorius, wenn er sagt, Deutschland müsse kriegstüchtig werden: Tüchtigkeit bedeutet nicht mehr, als eine besondere Form der Tauglichkeit. Deutschland muss sich in die Lage versetzen können, 'einen Krieg zu führen, der uns aufgezwungen wird'. Keinen, den Deutschland beginnt, das versteht sich von selbst. Aber wenn wir angegriffen werden, müssen wir Krieg führen können. Das ist das Entscheidende. Darauf müssen wir uns vorbereiten. Das verlangt in der Tat eine Veränderung des gesellschaftlichen Bewusstseins für Verteidigungsfragen.

In dieser Vortragsveranstaltung soll aus militärhistorischer und soziologischer Sicht untersucht werden, wie es in Deutschland um den Willen zu gesamtgesellschaftlicher Resilienz gegen Bedrohungen und Angriffe von außen steht. Dazu ist– angesichts der sich abzeichnenden, zumindest materiellen Steigerung der militärischen Fähigkeiten der Streitkräfte – das Verhältnis von Bundeswehr und übriger Gesellschaft in der Bundesrepublik zu beurteilen sowie nach dem gesamtgesellschaftlichen Kampf- bzw. Verteidigungswillen der Bundesrepublik zu fragen. Wie steht es mithin um das Können und vor allem das Wollen von politischer Führung, Bundeswehr, Zivilschutzorganisationen und vor allem der Bürger unseres Staates?


Referent: Prof. Dr. Dr. Alaric Searle , Leitender Wissenschaftler und Leiter der Abteilung Forschung am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), zugleich stellvertretender Kommandeur des ZMSBw, Potsdam.

Zum Referenten: Alaric Searle, Jahrgang 1962, ist Schotte, machte 1980 seinen Schulabschluss und absolvierte anschließend an der „University of Edinburgh“ ein Studium der Geschichte und Kunstgeschichte, was er 1984 mit einem „Master of Arts“ (M.A.) abschloss. Es folgte eine zweijährige Lehrtätigkeit in der Erwachsenenbildung. Von 1986 bis 1989 schloss sich ein Forschungsstudium in „Defence Studies“ an der „University of Edinburgh“ an, das mit der Zuerkennung des akademischen Grades „Master of Philosophy“ (M.Phil.) endete.

Vorrangig aus Gründen des wissenschaftlichen Interesses zog Alaric Searle am 01. September 1989 nach Deutschland um. Er arbeitete zunächst als Lehrbeauftragter und wissenschaftliche Hilfskraft am Sprachenzentrum der Universität der Bundeswehr in München, promovierte 1998 an der Freien Universität Berlin mit der Arbeit „Wehrmacht generals, West German society, and the debate on rearmament, 1949-1959“ und arbeitete dann anfangs als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und ab 2001 als Postdoktorand („Post-doctoral Fellow“) am Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

Von 2005 bis 2023 wirkte Alaric Searle im Wesentlichen an der „University of Salford“ (Metropolregion Manchester, England), wobei er zunächst in 2005 ein Habilitationsstipendiat am Deutschen Historischen Institut in London erhielt. An der „University of Salford“ arbeitete Alaric Searle zu Beginn als „Lecturer“, dann als „Senior Lecturer“ und schließlich als „Reader“ für Militärgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. In diese Zeit (2011) fiel auch seine Habilitation über den britischen Generalmajor John F. C. Fuller an der Ludwig-Maximilians-Universität, München. In 2015 erhielt Dr. Alaric Searle die Professur der „University of Salford“ für Neuzeitliche Europäische Geschichte. In den Jahren 2016 bis 2019 hatte er zusätzlich eine Gastprofessur an der Nankai-Universität in Tianjin, Volksrepublik China, inne. Die „University of Salford“ verlieh Prof. Dr. Searle in 2022 seinen zweiten Doktortitel („Doctor of Letters“ (D.Litt.)).

Seit dem 17. Juli 2023 ist Prof. Dr. Dr. Alaric Searle Leitender Wissenschaftler und Leiter der Abteilung Forschung am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr. Damit ist er verantwortlich für die wissenschaftliche Ausrichtung und die historischen, sozialwissenschaftlichen und zunehmend auch interdisziplinären Forschungsprojekte des ZMSBw. Seit 2024 ist er zugleich Honorarprofessor an der Philosophischen Fakultät der Universität Potsdam.

Ein Verzeichnis der wissenschaftlichen Schriften von Prof. Dr. Dr. Searle findet sich unter https://orcid.org/0000-0003-3311-4090. Gemeinsam mit dem Kommandeur des ZMSBw ist er zudem Herausgeber der „Militärgeschichtlichen Zeitschrift“, dem wissenschaftlichen, halbjährlich erscheinendem Journal des ZMSBw.

Prof. Dr. Dr. Alaric Searle wohnt in Potsdam. Er ist weiterhin britischer Staatsbürger. Seine Frau ist gebürtige Augsburgerin und lebt aus geschäftlichen Gründen noch in England.

Ort: Gorch-Fock-Haus - „Johann Kinau Saal“ - Victoriastr. 15 , 26382 Wilhelmshaven
Organisator: Kapitän zur See a.D. Berend Burwitz , Sektionsleiter Wilhelmshaven/Friesland, Berend.Burwitz@gsp-sipo.de
0171 4727 146


Sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Mitglieder und Freunde der Sektion,

als in 2025 dritte Veranstaltung bietet die Sektion Wilhelmshaven/Friesland einen Vortrag zum Kernthema „Deutschland“ mit dem Fokus auf die geforderte Kriegstüchtigkeit der Bundesrepublik. Es handelt sich wie immer um eine Präsenzveranstaltung. Wer Erkältungssymptome hat und eine Infektion mit SARS-CoV-2 nicht durch einen Test hat ausschließen können, möge bitte nicht an der Veranstaltung teilnehmen.

Mit Prof. Dr. Dr. Alaric Searle konnte einer der in Deutschland sehr wenigen Wissenschaftler für Militärgeschichte als Vortragender gewonnen werden. Prof. Dr. Dr. Alaric Searle verfügt über besondere Expertise auf diesem Gebiet von 1500 bis in die Gegenwart sowie auf dem Gebiet der deutschen und der britischen Geschichte. Er genießt ein herausragendes Renommee als Historiker. Die Sektion Wilhelmshaven/Friesland würde sich freuen, Sie als Teilnehmer bzw. Teilnehmerin an dieser Veranstaltung begrüßen zu dürfen. Bitte weisen Sie auch Freunde und Bekannte auf diesen Termin hin und empfehlen ihnen, an dieser Veranstaltung teilzunehmen.

Die Anmeldung kann über diese Internetseite der GSP erfolgen (https://www.gsp-sipo.de/organisation/landesbereich-ii/wilhelmshaven). Bitte klicken Sie auf das unten befindliche Feld „Anmeldung“. Beachten Sie bitte, dass Sie nach der Anmeldung die Anmeldung zusätzlich bestätigen müssen; mit diesem Verfahren sollen vorsätzliche Falschanmeldungen unterbunden werden.

Die Sektion nimmt Ihre Anmeldung auch per E-Mail an Berend.Burwitz©gsp-sipo.de oder per SMS, WhatsApp oder telefonisch (0171-4727146) an den Sektionsleiter entgegen. Bitte haben Sie Verständnis, dass Anmeldungen, die auf diesen Wegen erfolgen, grundsätzlich nicht quittiert werden können. Wegen der erforderlichen organisatorischen Vorbereitung im Gorch-Fock-Haus wird um Anmeldung bis zum Samstag, 31. Mai 2025, einschließlich gebeten.

Mit freundlichem Gruß

Berend Burwitz
Sektionsleiter

Die Veranstaltung wird fotografisch begleitet. Die Teilnehmenden erklären ihr Einverständnis, dass die GSP vor, während oder nach der Veranstaltung entstandenes Fotomaterial für Zwecke der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nutzt.

Hinweise zum Datenschutz: Die aktuell geltende Datenschutzgrundverordnung wird berücksichtigt. Die aktuelle Version umfasst den ursprünglich im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlichten Text (ABl. L 119, 04.05.2016) sowie die drei darauffolgenden Berichtigungen (ABl. L 314 vom 22.11.2016, ABl. L 127 vom 23.5.2018, ABl. L 074 vom 4.3.2021). Die Datenschutzschutzerklärung der GSP finden Sie unter https://www.gsp-sipo.de/service/datenschutzerklaerung.


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