Wahlprüfsteine SPD



Wahlprüfsteine - SPD

1.    Die Klimakrise ist eine Herausforderung, die unsere Art des Lebens bedroht, die Wirtschaft beeinflusst, Lieferketten gefährdet, Dürren verantwortet und Weltregionen so unbewohnbar macht, dass Menschen in andere Staaten fliehen müssen. Was ist die Antwort Ihrer Partei auf diese Sicherheitsbedrohung?

Die Auswirkungen des Klimawandels für Frieden und Sicherheit sind bereits heute deutlich zu spüren und werden sich in Zukunft weiter verstärken. Angesichts der drohenden Risiken nimmt das Thema Klima in Verbindung mit Sicherheit für die SPD eine hohe außenpolitische Priorität ein. Neben dem Kampf gegen den Klimawandel muss das Ziel sein, etwaige sicherheitspolitische Risiken frühzeitig zu erkennen und entsprechend zu handeln, bevor Konflikte ausbrechen.
Außenminister Heiko Maas hat dabei das Engagement Deutschlands entschieden vorangetrieben – unter anderem mit der Berliner Konferenz zu Klima und Sicherheit sowie während der deutschen Mitgliedschaft im VN-Sicherheitsrat 2019 und 2020. Die in der jetzt ablaufenden Legislaturperiode auf multilateraler Ebene gestarteten Initiativen werden wir weiterführen und noch weiter ausbauen. Wir wollen so gemeinsam mit unseren internationalen Partner*innen besonders betroffene Länder bei präventiven Maßnahmen wie auch mit humanitärer Hilfe unterstützen und die Analysekapazitäten verbessern. Zudem begrüßen wir den Einsatz von Umwelt- und Sicherheitsberatern zur gezielten Unterstützung von VN-Missionen.
 
2.    Die Bundeswehr ist im Ausland in vielen Krisengebieten involviert, war während der Covid-19-Pandemie aber auch im Inland aktiv ("Helfende Hände"). Wie bewertet Ihre Partei die grundsätzliche Ausrichtung der Bundeswehr zwischen Landes- und Bündnisverteidigung und internationalem Krisenmanagement?

Als Parlamentsarmee ist die Bundeswehr ein Instrument der Sicherheitsvorsorge. Den Kern des Auftrages der Bundeswehr stellt die Verteidigung unseres Landes und des Bündnisses dar, der seit dem Jahr 2014 wieder an Bedeutung gewonnen hat. Daneben leisten die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ihren Dienst in vielfältigen und schwierigen Einsätzen im internationalen Krisenmanagement. Beide Aufgaben, Land- und Bündnisverteidigung sowie internationales Krisenmanagement, sind mittlerweile als gleichwertig zu betrachten. Die Bundeswehr bedarf daher der bestmöglichen Ausrüstung und Ausbildung, um die an sie gestellten Aufgaben erfüllen zu können. Dies gilt insbesondere für den Schutz der Soldatinnen und Soldaten in ihren gefährlichen Einsätzen. Dafür setzen wir uns weithin ein.
Im Rahmen der Amtshilfe unterstützt die Bundeswehr bei Bedarf bei Katastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen. Aufgrund ihrer Fähigkeiten ist die Bundeswehr für diese Unterstützungsleistungen gut vorbereitet. Dies muss aber die Ausnahme bleiben. Den Zivil- und Katastrophenschutz gilt es daher zu stärken und die öffentlichen Strukturen resilienter zu gestalten.

3.    Der Cyberraum wird ein zunehmend für Kriminalität genutzter Bereich. Im Jahr 2020 gab es nach Angaben des BKA 108.474 erfasste Fälle der Cyberkriminalität. Im 5-Jahresvergleich (2016) ist das ein Anstieg von gut 31%, Tendenz steigend. Was ist die Lösung Ihrer Partei gegen dieses Zukunftsproblem?

Die fortschreitende Digitalisierung führt auch zur Verlagerung der Kriminalität ins Internet. Wir haben diesbezüglich schon reagiert und das Strafrecht sachgerecht verschärft. So erfasst das StGB künftig die strafbaren Fälle Cybergrooming, Cyberstalking und das Betreiben illegaler Handelsplattformen im Internet. Auch Hass und Hetze im Internet stellen wir uns entschieden entgegen. Die Schaffung von
Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bekämpfung von online begangener Kriminalität in den Ländern begrüßen wir ausdrücklich und fördern mit dem Pakt für den Rechtsstaat den Ausbau der Fachbehörden. Folgende weitere Maßnahmen wollen wir noch umsetzen: 

  • schnelle und zentrale Meldestellen und Hotlines bei den Ländern – verbunden mit Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Betroffene
  • technisch und personell gut ausgestatte Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden, die auch in milieutypischen Gepflogenheiten und Vokabular geschult sind
  • „digitale“ Ausbildung für Polizei und Strafverfolgung
  • verstärkter Einsatz „klassischer“ Ermittlungsarbeit: verdeckte Ermittler in rechten Gruppen und Netzwerken, auch in geschlossenen Gruppen (z.B. WhatsApp-Gruppen), massiv verstärkte „Polizeistreifen“ im Netz, Beobachtung öffentlich zugänglicher Foren und Plattformen
  • Anpassungen im Melderecht, Möglichkeiten von Adresssperrungen verbessern
  • zivilrechtliche Instrumente schärfen, damit Betroffene sich besser wehren können

Statt einer Klarnamenpflicht, die wir ablehnen, prüfen wir weniger eingriffsintensive Mittel wie die sogenannte Login-Falle oder ein „Digitales Gewaltschutzgesetz“.

4.    Kritik an der Effektivität von internationalen Organisationen ist nichts Neues. Vor allem internationale Organisationen wie die NATO, die bekanntermaßen als obsolet oder hirntot bezeichnet wurden, stehen dabei in scheinbar periodischen Abständen in der Kritik. Wie steht Ihre Partei zur NATO?

Für die SPD ist und bleibt die NATO ein tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft und für Europas Sicherheit unverzichtbar. Um passende Antworten auf die sicherheitspolitischen Herausforderungen der heutigen Zeit zu finden und die eigene Handlungsfähigkeit zu erhöhen, unterstützen wir ausdrücklich den von Außenminister Heiko Maas initiierte NATO-Reflexionsprozess, mit dem die politische Dimension des Bündnisses gestärkt werden soll, sowie die Aktualisierung des Strategischen Konzeptes. Wir haben die letzten Jahre bereits genutzt, um die Verantwortung Europas – auch in unserer unmittelbaren Nachbarschaft – zu stärken. Auch mit Blick auf die immer stärkere Orientierung der USA in Richtung Asien müssen wir als Europäer*innen diesen Weg der Lastenteilung konsequent weitergehen, um an einem starken und souveränen Europa in der NATO zu bauen. Das ist angesichts der vielen Krisen in unserer Nachbarschaft dringend nötig.

5.    Nach wie vor gilt was Klaus Kinkel einst erklärte: „Gäbe es die UNO nicht, müsste man sie erfinden“. Dass sie viele Baustellen und Probleme hat, lässt sich hingegen nicht verleugnen. Was wäre aus sicherheitspolitischer Perspektive Ihrer Partei das wichtigste Reformvorhaben innerhalb der UNO?

Die Stärke der Vereinten Nationen (VN) hängt maßgeblich von der politischen und finanziellen Unterstützung durch ihre Mitgliedstaaten ab. Schon vor der Covid-19- Pandemie stand die multilaterale Friedensund Sicherheitsarchitektur der VN unter Druck. So mussten Friedensoperationen wegen Mittelkürzungen beendet oder reduziert werden. Insbesondere aufgrund des Einsatzes der SPD ist die Bundesregierung immer wieder eingesprungen, um Krisenprävention und Konfliktbearbeitung durch die VN zu stützen. Damit die VN ihren Auftrag der Friedenssicherung, Förderung nachhaltiger Entwicklung und Wahrung der Menschenrechte erfüllen können, werden wir dieses intensive Engagement mit den erforderlichen personellen und finanziellen Mitteln fortsetzen bzw. weiter ausbauen. Zugleich wissen wir, dass auch Reformen der VN dringend notwendig sind. Diese werden wir vorantreiben. Unser Ziel ist unter anderem ein ständiger europäischer Sitz und eine angemessene Repräsentanz des Globalen Südens im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

6.    Die EU versucht seit Jahren sicherheitspolitisch handlungsfähig zu werden, tritt dabei jedoch auf der Stelle. Wie steht Ihre Partei zu der Frage einer „europäischen Autonomie“? Welche Schritte wären notwendig, um europäische Handlungsfähigkeit zu erhöhen? Unterstützen Sie eine europäische Armee?

Parallel zur NATO sind wir nur mit einer solidarischen und souveränen EU in der Lage, in einer multipolaren Welt unsere Eigenständigkeit zu bewahren und unserer Vision einer demokratischen, gerechten und nachhaltigen Zukunft näher zu kommen. Dabei muss die EU außen-, sicherheits- und verteidigungspolitisch eigenständiger und handlungsfähiger werden. Für die Stärkung der europäischen Souveränität sind insbesondere folgende Schritte entscheidend: Die Einführung von Mehrheitsentscheiden in der Außenpolitik, die Stärkung des Amts des Hohen Vertreters der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, die Weiterentwicklung neuer Rüstungskontrollund Abrüstungsinitiativen für Europa, eine tiefgehende Kooperation im Bereich neuer Technologien wie auch eine gemeinsame und konzeptionell neu ausgerichtete europäische Nachbarschaftspolitik. Um die Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit der EU zu stärken, wollen wir die Integration der europäischen Streitkräfte weiter vorantreiben. Unser Ziel bleibt die Schaffung einer parlamentarisch kontrollierten europäischen Armee

7.    Längst sind nicht mehr alle Staaten die Nuklearwaffen besitzen, Teil des Nichtverbreitungsvertrags. Das macht ihre Kontrolle und Reglementierung bedeutend ungewisser. Innerhalb von Deutschland gibt es viele Ideen und Forderungen zur Zukunft von Nuklearwaffen. Wie steht Ihre Partei dazu?

Die Verbreitung und der Gebrauch von Massenvernichtungswaffen stellen nach wie vor eine der gravierendsten sicherheitspolitischen Bedrohungen unserer Zeit dar. Daher muss das Ziel eine Welt ohne Atomwaffen sein. Wir müssen unsere Anstrengungen für eine weltweite nukleare Abrüstung verstärken und gleichzeitig verhindern, dass bestehende rechtliche Grundlagen für verhandelte und verifizierbare Abrüstungsschritte - wie der Nukleare Nichtverbreitungsvertrag – (noch weiter) geschwächt werden. Der Atomwaffenverbotsvertrag hat – trotz einiger Defizite - wichtige Impulse für die Debatte gegeben; auch wenn insbesondere bündnispolitische Verpflichtungen gegen einen Beitritt Deutschlands sprechen. Um den Prozess und die Intentionen dennoch konstruktiv zu begleiten, sollte Deutschland eine Brückenfunktion einnehmen und als Beobachterstaat an der ersten Vertragsstaatkonferenz im kommenden Jahr teilnehmen.

8.    Spätestens seit der noch immer anhaltenden Covid-19-Pandemie wurde uns vor Augen geführt, dass auch globale Gesundheitsfragen sicherheitspolitische Fragen sind. Was hat Ihre Partei für Ihre sicherheitspolitische Ausrichtung aus der Covid-19-Pandemie gelernt?

Die Münchner Sicherheitskonferenz beschreibt die Covid-19-Pandemie richtigerweise als eine "Polypandemie": Gesundheitliche Folgen kombinieren sich mit zum Teil gravierenden Auswirkungen auf – unter anderem – die Außen-, Entwicklungsund Sicherheitspolitik. Für uns ist daher klar, dass es daher einen interdisziplinären und sektorübergreifenden Ansatzes bedarf. Ein zentraler Baustein ist hierbei der One-HealthAnsatz. Im Bereich der Entwicklungspolitik verfolgen wir daher den Aufbau von Gesundheitssystemen und sozialer Basisschutzsysteme. Letzteres dient vor allem dazu, die wirtschaftlichen Folgen für die einzelnen Menschen zu lindern. Dies trägt auch zur Stabilisierung in den Partnerländern bei. Die vergangenen eineinhalb Jahre haben uns auch eindrucksvoll gezeigt, dass sich derartige globale Krisen nur im Rahmen internationaler Solidarität, multilateraler Kooperation und starken Institutionen bekämpfen lassen. Deshalb setzen wir uns für eine Stärkung der Rolle der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die als einzige international legitimierte und normgebende Autorität in der Gesundheitspolitik institutionell gestärkt und ausreichend finanziert werden muss.

 

 

 

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