Anläßlich einer Wahlveranstaltung in Minden am 7. Februar mit dem Schwerpunkt Sicherheit und Verteidigung ging Bundesverteidigungsminister Pistorius auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die damit verbundene Bedrohung für Europa näher ein.
So stellte er zunächst fest, dass die baltischen Republiken bereits in 2014 den „Weckruf“ einer russischen Bedrohung vernommen hätten, während Deutschland zunächst die Schlummertaste gedrückt habe und erst am 22. Februar 2022 aufgewacht sei. Die aktuellen Folgen der „Spezialoperation“ des Kremls lassen sich zusammenfassen mit rd. 600.000 gefallenen bzw. verwundeten Soldaten, Umstellung der Makroökonomie auf eine Kriegswirtschaft und geplantem Aufwuchs der Streitkräfte auf 1,5 Mio. Personen in 2025/26. Pistorius zitierte Putin anläßlich des Waldai-Forums 2024 in Sotschi, bei dem dieser einem überwiegend dem Globalen Süden zuzurechnenden Auditorium seine aktuellen Einschätzungen offenbarte: Im 21. Jahrhundert, so der Gastgeber aus dem Kreml, entstehe in der Welt eine „völlig neue Ordnung “. Es beginne „in gewisser Weise eine Stunde der Wahrheit.“ Für die Entstehung der neuen Weltordnung vollziehe sich „ein ernsthafter, unversöhnlicher Kampf“. Oft werde Demokratie als „Macht der Minderheit“ verstanden. Denn der „westliche Liberalismus“ bringe „eine ihrem Wesen nach totalitäre Ideologie hervor“.
Hieraus folge, so Pistorius, dass Deutschland wie auch Europa mehr Investitionen in die Verteidigung tätigen muß. Er erinnerte, dass die sog. „Friedensdividende“ seit 1990 rd. 30 Mrd. € betragen habe, und dass ab 2028 – nach Ausschöpfen des Sondervermögens Bundeswehr – ca. 30 bis 35 Mrd. €/a zusätzlich zur Einhaltung des 2 %-Ziels benötigt würden. Hierzu sei eine Modifizierung der Schuldenbremse nötig, um den zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden. Insofern müsse Deutschland mit Staatsschulden von 62 % (des BIP) nicht erpicht sein, dem Anspruch des „Klassenstrebers“ gerecht zu werden.
Auf die Frage, wie die europäische Verteidigungsindustrie gestärkt werden könne angesichts des Wunsches von Präsident Trump, mehr Waffensysteme aus den USA zu beziehen (und damit das Außenhandelsdefizit auszugleichen), antwortete er, dass die USA einige technische Systeme produzierten, auf die in Europa nicht verzichtet werden könne. Die EU ist hierbei nicht das Problem, sondern die Lösung, da die Rückkehr in Nationalismen falsch wäre. Die kürzlich vom Bundeskabinett beschlossene SVI-Strategie zielt auf eine Neuausrichtung der Rüstungsindustriepolitik im Sinne der Zeitenwende mit der Loslösung von der Jährlichkeit des Verteidigungsbudgets. Deshalb fordert er auch eine kontinuierliche Festlegung der Verteidigungsausgaben zusammen mit der Industrie. Hinsichtlich Überlegungen zur Novellierung der gesetzlichen Grundlage für die „Parlamentsarmee“ zögere er, da er keine Notwendigkeit für die Änderung der Bundestagsbefugnisse für Auslandseinsätze der Bundeswehr sehe.
Mit Blick auf die erwartete Initiative des US-Präsidenten, mit dem Herrscher im Kreml einen „Deal“ zur Beendigung des Krieges in der Ukraine zu schließen, ist Pistorius überzeugt, dass Trump alles daran setzen werde, Putin nicht als Sieger erscheinen zu lassen. Diese Einschätzung teilt auch Kenneth Weinstein, Vorstandsmitglied des konservativen Hudson Institute und europapolitischer Berater der Trump-Administration, im TV-Format „CarenMiosgaTalk“ vom 19. Januar. Daran, so Pistorius, sei Trump bereits aus dem Grund interessiert, um selber als alleiniger Sieger hervorzugehen, da anderenfalls sein Einfluß auf Europa geschwächt werde.
Abschließend begründete er seine Wortwahl hinsichtlich einer notwendigen „Kriegstüchtigkeit“ damit, dass es der Respekt vor mündigen Bürgern gebiete, Schwierigkeiten und Bedrohungen nicht vorzuenthalten, sondern klar anzusprechen.