Die Entscheidung ist gefallen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die 20. Wahlperiode des Deutschen Bundestages für beendet erklärt und den Termin für die vorgezogene Neuwahl des 21. Deutschen Bundestages auf Sonntag, den 23. Februar festgelegt. Knapp sieben Wochen bleiben den Organisatoren, den Wahlhelfern und den Direkt- und Listenkandidaten der Parteien, um die Wählerinnen und Wähler von sich zu überzeugen. Voraussichtlich 59,2 Millionen Deutsche sind wahlberechtigt. Davon sind 30,6 Millionen Männer und 28,6 Millionen Frauen. Hinzu kommen deutsche Wahlberechtigte, die ganz oder überwiegend im Ausland leben. Warum und wie es zu den vorgezogenen Neuwahlen kommt, darüber wurde ausführlich berichtet und diskutiert. In einer losen Folge von „Wahlgeschichten“ blicken wir zurück auf die bisherigen Bundestagswahlen seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Zum Abschluss werfen wir einen Blick auf die sicherheitspolitischen Aussagen in den Parteiprogrammen. Von zwölf Bundespräsidenten haben bisher acht Männer und eine Frau die Ernennungsurkunde zum Bundeskanzler bzw. zur Bundeskanzlerin erhalten.
1. Bundestagswahl am 14. August 1949
Über die Ausgestaltung der ersten Bundestagswahl 1949 gibt es im Vorfeld im Parlamentarischen Rat heftige Auseinandersetzungen. Es durfte nur eine Stimme abgegeben werden. Die Unterscheidung zwischen Wahlkreisstimme und Listenstimme für eine Partei wird erst zur Bundestagswahl 1953 eingeführt. Insgesamt ziehen elf Parteien und drei parteilose in das 402 Abgeordnete zählende Parlament ein. Darunter ist auch ein „Däne“, nämlich ein Abgeordneter des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW). Der SSW ist die 1948 auf Anordnung der britischen Militärregierung gegründete Interessenvertretung der dänischen und friesischen Minderheit in Schleswig-Holstein. Am 19. September wird Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt.
2. Bundestagswahl am 6. September 1953
Die gesetzlichen Bestimmungen für die Bundestagswahl 1953 werden geändert. Die Fünf-Prozent-Sperrklausel gilt nun für das gesamte Bundesgebiet und die Wählerinnen und Wähler haben zwei Stimmen. Die Wahl steht noch unter dem Eindruck des Volksaufstandes vom 17. Juni in der DDR, damals meist noch Zone genannt. Konrad Adenauer setzt im Wahlkampf ganz auf Westintegration, eigene Streitkräfte und die Verankerung in Bündnisstrukturen. Die SPD lehnt die Wiederbewaffnung" strikt ab. Das Sicherheitsbedürfnis überwiegt und die Unionsparteien erreichen 45,2 Prozent der Stimmen. Die SPD erhält 28,8 Prozent, die FDP 9,5 Prozent und Sonstige 16,5 Prozent. Die Wahlbeteiligung liegt bei 78,5 Prozent. Die Zahl der Bundestagsabgeordneten steigt auf 487. Adenauer wird zum zweiten Mal Bundeskanzler.
3. Bundestagswahl am 15. September 1957
Mit dem Slogan „Keine Experimente“ zieht Adenauer vier Jahre später in den Wahlkampf. Die Ausgangslage für die Christdemokraten am Wahltag ist gut. Der Kanzler hat 1955 die letzten Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion „heimgeholt“, die Bundesrepublik ist der Nordatlantischen Allianz (NATO) beigetreten, das Saarland wird zehntes Bundesland, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft entwickelt sich, die „dynamische Rente“ hat alle parlamentarischen Hürden genommen und im April 1957 treten die ersten Wehrpflichtigen ihren Dienst an. Die Wahlergebnisse bestätigen seinen Kurs. CDU und CSU erreichen - bis heute einmalig - zusammen 50,2 Prozent der Stimmen und damit die absolute Mehrheit im Parlament. Die SPD kommt auf 31,8 Prozent, gefolgt von der FDP mit 7,7 Prozent. Der Plenarsaal muss um zehn auf 497 Stühle erweitert werden. Am 22. Oktober wird Konrad Adenauer erneut zum Bundeskanzler gewählt. Erstmals gibt es die Möglichkeit der Briefwahl, von der etwa fünf Prozent der Wahlberechtigten Gebrauch machen.
4. Bundestagswahl am 17. September 1961
Bei der vierten Bundestagswahl stehen sich Adenauer als Spitzenkandidat der Union und Willy Brandt, Regierender Bürgermeister der „Frontstadt“ Berlin, für die Sozialdemokraten gegenüber. Noch unter dem Eindruck des Mauerbaus am 13. August gehen die Bürger in der geteilten Stadt zu den Wahlurnen. Mit dem 1959 verabschiedeten Godesberger Programm hat sich die SPD neue Wählerschichten geöffnet, was ihr am Wahltag zugutekommt. Mit dem Programm verabschiedete sich die SPD von historischem Materialismus, Marxismus und planwirtschaftlichen Vorstellungen. Die Christdemokraten verlieren ihre absolute Mehrheit, bleiben aber mit 45,3 Prozent gegenüber 36,2 Prozent der SPD stärkste Kraft, die FDP kommt auf 12,8 Prozent. Erstmals sind nur drei Fraktionen im Parlament vertreten. Konrad Adenauer geht eine Koalition mit der FDP ein, bleibt Bundeskanzler und bildet das Kabinett Adenauer IV. Im Oktober 1963 tritt Adenauer als Bundeskanzler zurück, sein Nachfolger wird der „Vater des Wirtschaftswunders“, Wirtschaftsminister Ludwig Erhard.
5. Bundestagswahl am 19. September 1965
Im Bundestagswahlkampf 1965 ist der „Vater des Wirtschaftswunders“ Ludwig Erhard Spitzenkandidat der Christdemokraten. Die SPD tritt erneut mit Willy Brandt an. CDU und CSU erreichen 47,6 Prozent, sie bleiben stärkste Kraft. „Genosse Trend“, so eine oft gebrauchte Formulierung für die SPD, erzielt mit 39,3 Prozent ihr bestes Ergebnis. Die FDP kommt auf 9,5 Prozent, das sind 50 Sitze. Die 217 der SPD hätten die 251 der Christdemokraten bei der Kanzlerwahl überstimmen können. Doch dazu fehlte beiden Parteien der politische Wille. Es dauerte nur ein Jahr, bis die Koalition zerbrach und Ludwig Erhard gestürzt wurde. Sein Nachfolger wird Kurt Georg Kiesinger, der die erste Große Koalition bildet. 1966 übernimmt Willy Brandt das Außenministerium und kann sich weiter profilieren.
6. Bundestagswahl am 28. September 1969
Bei der Wahl zum sechsten Bundestag am 28. September 1969 bleibt die Union mit 46,1 Prozent stärkste Kraft. Die SPD tritt mit Willy Brandt als Kanzlerkandidat an und erreicht 42,7 Prozent. Mit 5,8 Prozent für die FDP ist der Weg frei für eine sozialliberale Koalition. Es ist die letzte Bundestagswahl, bei der das Wahlalter noch bei 21 Jahren liegt. Am 21. Oktober wird Willy Brandt mit knapper Mehrheit von der sozialliberalen Koalition zum Bundeskanzler gewählt. Er ist damit der erste sozialdemokratische Bundeskanzler. Die FDP stellt in der neuen Bundesregierung neben Außenminister Walter Scheel auch Innenminister Hans-Dietrich Genscher.
7. Bundestagswahl am 19. September 1972
Die Amtszeit des sechsten Bundestages endet nach nur drei Jahren. Brandt verliert am 28. April 1972 die Abstimmung über den Kanzleretat. SPD und FDP hatten damit nicht gerechnet. Denn am Tag zuvor war der Versuch der CDU/CSU-Fraktion gescheitert, ihren Vorsitzenden Rainer Barzel durch ein konstruktives Misstrauensvotum anstelle von Willy Brandt zum Bundeskanzler zu wählen. Barzel fehlen zwei Stimmen aus dem Regierungslager. Später wird bekannt, dass die betreffenden Abgeordneten durch finanzielle Zuwendungen aus der DDR “umgedreht“ wurden.
Es ist die erste vorgezogene Bundestagswahl und die erste nach Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre. Der Slogan „Willy wählen“ kommt an: Die SPD wird mit 48,9 Prozent stärkste Partei vor den Unionsparteien, die 44,9 Prozent der Zweitstimmen erhalten. Die FDP erreicht 8,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung liegt bei 91,1 Prozent, darunter gut vier Millionen Jungwähler. Der nunmehr 7. Deutsche Bundestag wählt Willy Brandt am 14. Dezember mit 269 Stimmen erneut zum Bundeskanzler. Er bildet das Kabinett Brandt II. Er ahnt nicht, dass sich unter seinen engsten Mitarbeitern ein Agent des Ministeriums für Staatssicherheit befindet. Nach der Enttarnung von Günter Guillaume am 24. April tritt Willy Brandt am 6. Mai 1974 zurück, sein Nachfolger wird am 16. Mai Helmut Schmidt.