Nach der Flucht von Diktator Assad aus Damaskus und der bevorstehenden Machtübergabe seines Unterdrückungsapparats an die sunnitischen Islamisten zeichnet sich eine neue Flüchtlingswelle in Richtung Europa und auch nach Deutschland ab.
Seit dem Beginn der Auflehnung gegen das Regime Assad und dessen Repressalien in 2011 sind rd. 970.000 Syrer*innen bis Ende 2023 nach Deutschland geflohen (Rang 2 nach der Türkei mit 3,1 Mio. Flüchtlingen aus dem südlichen Nachbarland) und haben hier zumeist Asyl beantragt. Die Anerkennungs- bzw. ‚Schutzquote‘ ist mit über 88 % (Angaben für 2023) vergleichsweise sehr hoch. In den vergangenen Jahren kam es mehrmals vor, daß auch ehemalige Angehörige des repressiven syrischen Staatsapparats, die direkt oder indirekt an Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen waren, nach dem Bruch mit dem Regime Asyl in der Bundesrepublik gesucht haben. Von den Opfern des Assad-Regimes identifiziert, konnte diesen Tätern in Deutschland auch der Prozess gemacht werden.
Nach dem Zusammenbruch des Regimes sind bereits viele Anhänger und Gefolgsleute Assads auf der Flucht, sei es aus politischen oder religiösen Gründen. Diese suchen zunächst Schutz im Irak und der Türkei, wobei letztere wenig aufnahmebereit für weiteren Zuzug sein dürfte. Ob es der EU gelingt, den Irak, die Türkei und auch Jordanien – der Libanon als Nachbarlnd ist hiervon sicherlich auszunehmen - zumindest zeitweise zur Aufnahme von weiteren syrischen Flüchtlingen zu bewegen, ist nicht absehbar. So ist eher zu erwarten, daß Europa und damit auch Deutschland einer neuen Welle von Asylsuchenden entgegensehen wird.
Hierbei werden die mit den Anerkennungsverfahren betrauten Behörden mit dem Dilemma konfrontiert sein, zwischen ‚guten‘ und ‚bösen‘ Syriern zu unterscheiden, d. h. den Opfern des Assad-Regimes und Tätern bzw. Unterstützern des annähernd 15 Jahre währenden Terrorsystems. Da es für die letztgenannte Gruppe wegen einer bis auf weiteres nicht existierenden neuen syrischen Regierung wohl kaum zu Rückführungen kommen dürfte, wird diese vermutlich zunächst den Status ‚geduldet‘ genießen.
Das in diesem Mai verabschiedete Asyl- und Migrationspaket der EU, welches noch auf Umsetzungsregelungen wartet, wird deshalb ergänzt werden müssen, um der neuen Situation in der Levante Rechnung tragen zu können.