Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz (GG) unterzeichnet. Damit wurde vor 75 Jahren wurde das Fundament unseres Zusammenlebens in einem freien und demokratischen Rechtsstaat gelegt. Seit der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 ist es Deutschlands Verfassung. Aus der Präambel konnten die Formulierungen „…seine nationale und staatliche Einheit zu wahren…“ und „Es hat auch für jene Deutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagt war“ entfallen. Auch der Schlusssatz „Das gesamte deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden“ hatte sich erübrigt. Er lautet nun „Damit gilt dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk“. Mit einem Staatsakt wird am 23. Mai das Jubiläum begangen. Vom 24. bis 26. Mai folgt ein Demokratiefest für alle Bürger rund um das Bundekanzleramt und das Paul-Löbe-Haus in Berlin. Beteiligt daran sind alle Verfassungsorgane, die Länder und zivilgesellschaftliche Organisationen.
Am 8. Mai 1949 um 23:55 Uhr nahm der Parlamentarische Rat das GG mit großer Mehrheit an. Vier Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht. Konrad Adenauer hatte diesen Termin durchgesetzt hatte. Er wollte gegenüber den West-Alliierten deutlich machen, dass mit dem GG ein Neubeginn stattfinden würde. Anfang Juni 1945 hatten die vier Siegermächte die Übernahme der Regierungsgewalt erklärt. Auf der Potsdamer Konferenz (17. Juli bis 2. August 1945) wurden Richtlinien für die einheitliche Behandlung der Besatzungszonen beschlossen. Für die Politik in den drei Westzonen ist die Rede des britischen Oppositionsführers Winston Churchill vom 5. März 1946 in Fulton, Missouri, richtungsweisend. Er sagte u.a. „Von Stettin an der Ostsee bis hinunter nach Triest an der Adria ist ein Eiserner Vorhang über den Kontinent gezogen“.
Diesen kündigte am 6. September 1946 US-Außenminister James F. Byrnes in Stuttgart an. Es wurde ein Exekutivausschuss für die amerikanische und britische Zone eingerichtet. Der nächste Schritt der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit war die Bildung der sogenannten Bizone. Damit gab es vom 1. März 1947 ein Vereinigtes Wirtschaftsgebiet. Eine weitere Folge war die Ankündigung des Marshallplans im Juni 1947. Die Hilfeleistungen waren dringend notwendig, denn die Versorgungskrise hatte inzwischen ein bedenkliches Ausmaß erreicht. Die Tagesration eines Normalverbrauchers lag im Sommer bei 1.085 Kalorien. Vor dem Krieg betrug die Tagesration 3.190 Kalorien. Um das politische und verwaltungsmäßige Zusammenleben wieder zu organisieren, wurden demokratische Parteien zuerst auf örtlicher und später in den Besatzungszonen zugelassen. Ab 1946 begann der Aufbau der Gemeinden und dann der Länder, in denen Wahlen zu den Landtagen abgehalten werden konnten.
Es wurde zum Meilenstein für die deutsche Zukunft. Der kommunistische Umsturz Februar/März 1948 in der Tschechoslowakei, der Auszug der Sowjets aus dem Alliierten Kontrollrat im März, die Berlin-Blockade ab Ende Juni und im November die endgültige Spaltung des Berliner Senats, waren die ersten Etappen des „Kalten Krieges“. Die Währungsreform am 20. Juni 1948 verschärfte den Ost-West-Konflikt weiter. Am 1. Juli übergaben die Militärgouverneure den Ministerpräsidenten die sogenannten „Frankfurter Dokumente“ mit der Absicht, Westdeutschland nach staatlicher und wirtschaftlicher Konsolidierung an Westeuropa und Amerikas zu binden. Die Folge war die Erarbeitung eines „Grundgesetz“ und keiner „Verfassung“. Am 26. Juli wurde den Dokumenten zugestimmt. Eine Ablehnung hätte die Spaltung Deutschlands nicht verhindert. Die Alliierten hätten die Zukunft des neuen Staatsgebildes allein bestimmt. Für die Erarbeitung wurde ein Parlamentarischer Rat gebildet und zum 1. September nach Bonn einberufen. Ein Konvent von Sachverständigen erarbeitete vom 10. bis 23. August 1948 auf Herrenchiemsee einen Entwurf des GG.
Er setzte sich aus 65 gewählten Abgeordneten der westdeutschen Länder zusammen. Hinzu kamen, mit beratender Stimme, fünf Vertreter West-Berlins. Ein Abgeordneter vertrat 750.000 Einwohner. Nach Parteizugehörigkeit waren es 19 CDU- und acht CSU-Mitglieder. 27 Abgeordnete bilden die SPD-Fraktion. Die FDP ist mit fünf, die Deutsche Partei, das Zentrum und die KPD sind mit jeweils zwei Abgeordneten vertreten. Fraktionsvorsitzende wurden von der CDU/CSU Dr. Anton Pfeifer, von der SPD Professor Dr. Carlo Schmidt und von der FDP Professor Dr. Theodor Heuss. In der ersten Plenarsitzung im Museum Alexander König wurde der CDU-Abgeordnete Dr. Konrad Adenauer zum Präsidenten gewählt. Die Erarbeitung des Grundgesetzes verlief nicht konfliktfrei. Die Militärgouverneure hatten eigene Vorstellungen vom demokratischen Aufbau Deutschlands. Mit Kompromisslösungen konnten diese aber ausgeräumt werden, so dass der Parlamentarische Rat am 8. Mai mit 53 Stimmen der CDU/CSU, der SPD und der FDP gegen sechs CSU und je zwei Stimmen der DP, des Zentrums und der KDP das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschlands verabschieden konnte.
Die Militärgouverneure billigten es mit einem Schreiben vom 12. Mai. An diesem Tag endet nach fast einem Jahr auch die Berlin-Blockade. West-Berlin wurde kein Stimmrecht im Bundestag und im Bundesrat eingeräumt. Vertreter durften aber an den Sitzungen teilnehmen. Die Mitglieder des Parlamentarischen Rates, die Ministerpräsidenten, die Landtagspräsidenten, die Militärregierungen und des Frankfurter Wirtschaftsrats versammelten sich am 23. Mai in Bonn, um in einem Staatsakt das Grundgesetz zu verkünden. Konrad Adenauer ging zu Beginn darauf ein, dass das Grundgesetz auf „freiem Willen“ und „der freien Entscheidung des deutschen Volkes“ beruhe. Weiter sagt er:
Heute am 23. Mai beginnt ein neuer Abschnitt in der wechselvollen Geschichte unseres Volkes: Heute wird nach der Unterzeichnung und Verkündung des Grundgesetzes die Bundesrepublik Deutschland in die Geschichte eintreten. Wir sind uns alle klar darüber, was das bedeutet. Wer die Jahre seit 1933 bewusst erlebt hat, wer den völligen Zusammenbruch im Jahre 1945 mitgemacht hat, wer bewusst erlebt hat, wie die ganze staatliche Gewalt seit 1945 von den Alliierten übernommen worden ist, der denkt bewegten Herzens daran, heute mit dem Ablauf dieses Tages, das neue Deutschland entsteht.“ Alle Mitglieder des Rates, mit Ausnahme der beiden KPD-Angehörigen, unterzeichneten das Grundgesetz. Ebenso die Ministerpräsidenten, die Landtagspräsidenten, auch die Vertreter Bayerns, dessen Landtag als einziger dem Grundgesetz nicht zugestimmt hatte.
Nachdem das Grundgesetz in Kraft gesetzt worden war, begann der Wahlkampf zum ersten Deutschen Bundestag. Die Christlichen Demokraten plädierten für die Fortsetzung der Sozialen Markwirtschaft. Die Sozialdemokraten favorisierten die Sozialisierung der Schlüsselindustrien. Am 14. August 1949 fanden die Wahlen zum 1. Deutschen Bundestag statt. Von den 31.179.422 Wahlberechtigten gingen 24.490.752 (78,5 Prozent) zur Abstimmung. Von den 23.724.119 gültigen Stimmen erhielten CDU/CSU 139 Sitze, SPD 131 Sitze, FDP 52 Sitze, KPD 15 Sitze, Bayern-Partei und Deutsche Partei je 17 Sitze, Zentrum 10 Sitze, Wirtschaftliche Aufbau-Vereinigung (WAV) 12 Sitze, Deutsche Reichspartei und Deutsche Konservative Partei 5 Sitze, Südschleswigsche Wählerverband (SSW) 1 Sitz und Parteilose 3 Sitze.
Am Nachmittag des 7. September 1949 eröffnete Paul Löbe, als ältestes Mitglied des Bundestages, die konstituierende Sitzung im Gebäude der ehemaligen Pädagogischen Akademie Bonns mit einem Gedenken an die Opfer des Dritten Reiches und die Toten des Zweiten Weltkrieges. Der Bundestag umfasste 402 Sitze, davon Regierung 208 und Opposition 194. Auch der Bundesrat trat an diesem Tag zusammen. Am 12. September wählte die Mehrheit der Bundesversammlung Theodor Heuss zum Bundespräsidenten. Auf seinen Vorschlag fand die Kanzlerwahl am 15. September statt. Konrad Adenauer erhielt 202 Stimmen. Am 20. September stellte er sein Kabinett vor. Die Bundesrepublik Deutschland hatte ihre erste Regierung. Nach Adenauer folgten noch sieben Kanzler und eine Kanzlerin, die mit 25 verschiedenen Kabinetten regierten. Zwanzig Mal wurde der Bundestag und nach Theodor Heuss noch elf Mal das Staatsoberhaupt gewählt, davon siebenmal am Verfassungstag, dem 23. Mai.