Mark Rutte wird neuer NATO-Generalsekretär - Der vierte Niederländer an der Spitze des Bündnisses
Die Entscheidung ist gefallen. Die 32 Mitgliedsstaaten der North Atlantic Treaty Organisation (NATO), auch als Atlantisches Bündnis oder Nordatlantikpakt bezeichnet, haben sich auf die Nachfolge von Generalsekretär Jens Stoltenberg geeinigt. Der rumänische Staatspräsident Klaus Johannis hatte Mitte Februar sein Interesse an dem Amt bekundet, aber gestern seine Bewerbung zurück- gezogen. Der Norweger Stoltenberg steht seit Oktober 2014 an der Spitze des Atlantischen Bündnisses. Nach der ersten Amtsperiode von vier Jahren wurde seine Dienstzeit immer wieder verlängert, zuletzt am 4. Juli 2023 bis zum 1. Oktober 2024. Die Gründe liegen auf der Hand. Seit seinem Amtsantritt kämpfen russische Separatisten im Osten der Ukraine und die Krim wird von Russland annektiert. Den letzten Ausschlag, die politische NATO-Spitzenfunktion nicht auszuwechseln, war der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine. Am 24. Februar 2022 überfielen 150.000 Soldaten von Norden, Osten und Süden in das Nachbarland. In dieser Kriegssituation war der erfahrene NATO-Generalsekretär gefragt. Seit seinem Amtsantritt ist die NATO auch noch um vier Mitgliedsstaaten gewachsen, um Montenegro (5.6.2007), Nordmazedonien (27.3.2010), Finnland (4.4.2023 und Schweden (7.3.2024). Die beiden Nordländer wären ohne den russischen Überfall sicher nicht dem Verteidigungsbündnis beigetreten.
Stoltenbergs Nachfolger wird der Niederländer Mark Rutte, geboren am 14. Februar 1967 in Den Haag. Er studierte Geschichte an der Universität Leiden. Sein Berufsleben begann er beim britischen Konzern Unilever. Schon früh engagierte er sich politisch in der Jugendorganisation der Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) und dann in der Partei, deren sozialliberalem Flügel er zuzuordnen ist. Als bei der Parlamentswahl am 9. Juni 2010 die VVD stärkste Partei wurde, beauftragte die damalige Königin Beatrix ihn mit der Regierungsbildung. Nach erfolgreichen Koalitionsverhandlungen wurde Mark Rutte dann am 14. Oktober 2010 Ministerpräsident. Es folgten die Kabinette Rutte II, III und IV in verschiedenen Koalitionen. Am 7. Juli 2023 kam es zum Bruch der Koalition des Kabinetts Rutte IV. Kurz darauf kündigte er seinen Rückzug aus der Politik an. Schon am 22. Februar 2024 sprachen sich die Regierungschefs der Vereinigten Staaten Joe Biden, des Vereinigten Königreichs Rishi Sunak, Frankreichs Emmannuel Macron und Deutschlands Olaf Scholz für ihn als Nachfolger aus.
Erster Generalsekretär des Bündnisses wurde am 4. April 1952 der britische Baron Hastings Lionel Ismay. Von ihm stammt die Aussage über die europäische Funktion des neuen Bündnisses „to keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down“, die sich zu einer verbreiteten Kurzcharakteristik für die Allianz entwickelte. Das schon drei Jahre später, Ende 1955, „the Germans“ anfingen eine Armee aufzustellen und 1957 die ersten drei Divisionen der NATO assignierten, konnte er nicht ahnen. Sein Nachfolger wurde 1957 der Belgier Paul-Henri Spaak. Belgien gehörte am 4. April 1949 in Washington mit zu den zwölf Gründungsmitgliedern des atlantischen Bündnisses.
Im Laufe des 75-jährigen Bestehens des Nordatlantikrates (North Atlantic Council/NAC) standen bisher dreizehn Generalsekretäre an dessen Spitze. Den Rat bilden die Staats- und Regierungschefs der inzwischen 32 Mitgliedsländer. Normalerweise treten diese alle zwei bis drei Jahre zu sogenannten Gipfeltreffen (Summit) zusammen. Das nächste Gipfeltreffen, anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Allianz, ist für Anfang Juli in Washington vorgesehen. Der Generalsekretär kam bisher immer aus einem europäischen Mitgliedsland. Manfred Wörner war bisher der einzige Deutsche in dieser Position. Am 18. Mai 1988 war er als Verteidigungsminister zurückgetreten und wurde am 1. Juli Nachfolger des Briten Peter Carington. Er starb nach langer Krankheit am 13. August 1994 in Brüssel. Nach einer Interimszeit übernahm der Belgier Willy Claes das Amt. Wegen einer privaten Affäre trat er nach einem Jahr zurücktrat. Ihm folgte am 5. Dezember 1995 der Spanier Javier Solana. Mark Rutte ist damit nach Dirk Stikker (1961-64), Joseph Luns (1971-84) und Jaap de Hoop Scheffer (2004-09), der vierte Niederländer an der NATO-Spitze. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach ihm immense Erfahrung, große sicherheitspolitische Expertise und ein ausgeprägtes diplomatisches Geschick aus. Um das Atlantische Bündnis zu führen wird er diese Eigenschaften mehr denn je benötigen.