Der Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Plakate und Transparente der Spitzen- und Wahlkreiskandidaten sind überall zu sehen. Öffentliche Auftritte und Haustürbesuche gehören dazu. Will man etwas über die zukünftige Sicherheitspolitik der Parteien erfahren, hilft ein Blick in deren Programme. Diese findet man alle auf der Website der Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg.
SPD - Beginnen wir mit der Kanzlerpartei. Auf dem roten Umschlag der SPD steht “MEHR FÜR DICH: BESSER FÜR DEUTSCHLAND“. Das sechzig seitige Programm beginnt mit „Worauf es jetzt ankommt“, gegliedert in fünf Hauptkapitel deren Überschriften lauten: „Ein neuer Aufschwung für Deutschland“, „Arbeitnehmer und ihre Familien entlasten“, „Sich in Deutschland sicher und zu Hause fühlen“ und „Unsere internationale Verantwortung in der Zeitenwende“. Den Abschluss bildet schließlich „Unser Versprechen“.
Beim Stichwort „Zeitenwende“ steigen wir ein und schauen, was damit gemeint ist. Dreimal "Wir kämpfen für Freiheit und Sicherheit", "für ein starkes und handlungsfähiges Europa", "für eine gerechte Welt" und einmal "Wir stärken europäische Interessen in der Welt". Die Partei bekennt sich zur Verteidigungs- und Sicherheitspolitik in einer sich verändernden Welt. Sie will mehr Verantwortung für den Schutz Europas übernehmen. Die Sicherheit müsse gegen Russland organisiert werden. Die Verteidigungsausgaben sollen mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Die Bundeswehr soll nachhaltig modernisiert werden, damit sie ihre Aufgaben in Auslandseinsätzen und in der Bündnis- und Landesverteidigung dauerhaft und umfassend erfüllen kann. Die SPD bekennt sich zum Konzept des „Staatsbürgers in Uniform“. Sie plant die Einführung eines neuen, flexiblen Wehrdienstes, der auf Freiwilligkeit beruht und sich am Bedarf der Bundeswehr orientiert. Dadurch sollen die Grundlagen für eine Wehrpflicht geschaffen werden.
Die NATO wird als tragender Pfeiler der transatlantischen Partnerschaft anerkannt. Erwartet wird, dass Washington nicht mehr die Hauptlast des Bündnisses tragen wird. Das bedeutet, mehr Verantwortung für die Bündnisverteidigung zu übernehmen und den europäischen Pfeiler innerhalb der NATO zu stärken. Ziel ist aber auch eine europäische Verteidigungsunion mit einer eigenen Verteidigungsindustrie und einer koordinierten Rüstungsexportpolitik. Die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenwaffen bietet mehr Schutz. Deutschland ist aufgrund seiner geographischen Lage eine zentrale Drehscheibe für die Logistik der NATO. Mit der Brigade Litauen „zeigen wir unseren Verbündeten an der Ostflanke der NATO, dass sie sich auf uns verlassen können“.
Die weitere Unterstützung der Ukraine werde “so lange wie nötig“, „mit Augenmaß und Besonnenheit“ erfolgen, ein Diktatfrieden wird abgelehnt. Deutschland und die NATO dürften nicht zu Kriegsparteien werden. „Deshalb stehen wir zu der Entscheidung von Bundeskanzler Olaf Scholz, den Marschflugkörper Taurus aus den Beständen der Bundeswehr nicht zu liefern“. Eine Sicherheits- und Friedensordnung für Europa sei ein langfristiges Ziel. In diesem Zusammenhang wird die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) als wichtige Plattform genannt. Rüstungs- und Abrüstungsinitiativen sollen dazu genutzt werden. „Eine Welt ohne Nuklearwaffen bleibt unser Ziel“.
Wahlprogramm / 2025 SPD Regierungsprogramm
Bündnis 90/Die Grünen - ZUSAMMEN WACHSEN: Regierungsprogramm 2025. In drei Kapiteln auf 70 Seiten hat der Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen zusammengefasst, was er im Falle einer erneuten Regierungsbeteiligung umsetzen will.
Kapitel 3: Frieden in Freiheit sichern - nach innen und außen" handelt von der Außen- und Sicherheitspolitik. „Unser Frieden ist durch Putins Angriffskrieg bedroht“, heißt es zu Beginn und später wird noch einmal betont. „Putins Russland ist derzeit die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit in Europa“. Im Zentrum der Außenpolitik steht die Europäische Union. Die Souveränität Europas soll gestärkt werden. In den bestehenden Bündnissen will man fest „verankert“ bleiben. China mit seinem militärischen Druck auf die Straße von Taiwan wird angesprochen. Die Grünen sehen in China einen politischen Systemgegner, einen Wirtschaftskonkurrenten, aber auch einen Partner. Die Zusammenarbeit mit den indo-pazifischen Staaten soll vor allem in den Bereichen Sicherheit, Handel und Klima verstärkt werden.
Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik müssen vorausschauend und vernetzt gedacht werden. So können Krisen und Konflikte frühzeitig erkannt und „menschliches Leid“ verhindert werden. Dazu gehört auch eine Reform der Vereinten Nationen und des Sicherheitsrates.
Eine starke Zivilgesellschaft ist das Rückgrat einer wehrhaften Demokratie. Der europäische Pfeiler der NATO soll gestärkt werden. Dazu sei es notwendig, „dauerhaft mehr als 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit zu investieren“. Zur Finanzierung sei mittelfristig „eine höhere Kreditaufnahme“ notwendig. Zudem sollen zivilgesellschaftliche Akteure und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gestärkt werden. Eine nuklearwaffenfreie Welt ist das Ziel, Abrüstungsinitiativen und Rüstungskontrolle müssen „vorangetrieben“ werden. Die Entwicklung und der Einsatz tödlicher vollautonomer Waffensysteme werden als falsch bezeichnet, die Grünen setzen sich für deren internationale Ächtung ein.
Der Bundeswehr sind 55 Zeilen des zweispaltig gedruckten Programms gewidmet. Ihr Kernauftrag ist die Landes- und Bündnisverteidigung, die mit modernen und verteidigungsfähigen Streitkräften „wieder in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit“ rücken soll. Internationale Friedenseinsätze sollen in multilateralen Bündnissen „verankert“ werden. Durch einen freiwilligen Wehrdienst und die „Reserve“ soll die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr für eine breite Zielgruppe attraktiv gemacht werden, was eine neue Form der Wehrwerbung erfordert. Für EU und NATO sollen Kooperationen zur Regel werden, d.h. permanente multinationale Verbände sind aufzustellen. Eine europäische Rüstungsindustrie soll die Streitkräfte gut ausrüsten, verbunden mit einem bedarfsorientierten Rüstungsmarkt und einer restriktiven Exportpolitik. Die Klimakrise gilt als eines der größten Sicherheitsrisiken des 21. Jahrhunderts.
Entwurf Wahlprogramm Bündnis 90/Die Grünen
FDP - Die Freien Demokraten (FDP) ziehen mit dem Slogan „Alles ist veränderbar“ in den Bundestagswahlkampf. Das Programm hierfür beginnt mit einer Präambel, dann folgen sechs Kapitel. Das letzte „Freiheit, Sicherheit und Menschenrechte weltweit“ kommt für unsere Betrachtung zu Sicherheitspolitik in Frage. Der russische Angriffskrieg habe die Welt in große Unruhe versetzt und die europäische Ordnung „zutiefst erschüttert“ wird festgestellt. Die Partei verurteilt den Angriff auf das Schärfste. Chinas Vorgehen fordere Deutschland und die EU heraus. Mit dem Angriff der Hamas auf Israel eskaliert der Nahostkonflikt. Die FDP setzt sich für ein Zwei-Staaten-Modell ein. "Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson und ein unverzichtbarer Pfeiler deutscher Außen- und Sicherheitspolitik. Deutschland muss seine Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Das erfordert den Ausbau der Verteidigungsfähigkeit, dafür ist eine sicherheitspolitische Wende notwendig.
Für die Ukraine ist eine umfassende Unterstützung vorgesehen. „Dazu gehört für uns auch die Abwehr von Abschussbasen und Nachschublinien auf russischer Seite mit weitreichenden Waffen. „Daher fordern wir die unverzügliche Lieferung des Marschflugkörpers Taurus.“ Die FDP setzt sich für eine „ausreichende, dauerhafte und gerecht verteilte Finanzierung der Unterstützung der Ukraine innerhalb der NATO/EU/G7-Staaten“ ein. Dazu sollen die eingefrorenen russischen Guthaben verwendet werden. Die Wiederherstellung der territorialen Integrität und der perspektivische Beitritt zu EU und NATO werden von der FDP unterstützt. Die NATO wird als Garant für die Sicherheit Deutschlands gesehen, das Zwei-Prozent-Ziel soll wird anerkannt, sollte die NATO mehr fordern, „werden wir das auch erfüllen“. Der europäische Pfeiler und die Handlungsfähigkeit der EU-Partner im Bündnis sollen gestärkt werden.
Die Bundeswehr soll zur stärksten konventionellen Streitmacht in Europa ausgebaut werden. In Abstimmung mit Frankreich soll Deutschland Kooperationspartner für kleinere Partner werden. Ziel ist der Aufbau einer europäischen Armee. Die Bundeswehr muss finanziell und materiell besser ausgestattet werden. Die FDP setzt sich für eine professionelle Freiwilligenarmee und eine starke Reserve ein, was eine nationale Datenbank zur Erfassung wehrfähiger Männer und Frauen voraussetzt. Die Wiedereinführung der Wehrpflicht wird abgelehnt. Die Attraktivität der Streitkräfte soll durch „hervorragende Rahmenbedingungen“ gesteigert werden. Die FDP will einen nationalen Sicherheitsrat einrichten, der Risiken frühzeitig erkennt und Strategien entwickelt.
Die strategische Handlungsfähigkeit der EU soll weiter ausgebaut werden. Dazu gehört, dass die Ziele des Strategischen Kompasses und des Aktionsplans zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik von den Mitgliedstaaten konsequenter verfolgt werden. Die FDP setzt sich für qualifizierte Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik ein. Außerdem soll die europäische Verteidigungsindustrie durch einen erleichterten Zugang zu Kapital gestärkt werden.