China und Indien

China und Indien im regionalen und globalen Umfeld Rezension von Peter E. Uhde

„Indien wächst stärker als China“ ist eine Meldung in einer überregionalen Tageszeitung von Anfang des Monats Juni überschrieben. Die drittgrößte Volkswirtschaft Asiens hat im I. Quartal 7,7 Prozent zugelegt, China nur 6,8 Prozent. Grund genug, sich einmal mit dem gerade erschienenen Buch der Herausgeber Michael Staack und David Groten zu befassen. Beide lehren an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr, Hamburg. Neben den beiden genannten, die auch Autoren sind, gibt es weitere fünf in dem knapp 200 seitigen Sammelband, die sich mit den beiden größten asiatischen Staaten befassen. Die Sozialistische Volksrepublik China hat etwa eine Größe von 9.597.995 qkm und eine Bevölkerung von ca. 1.382 Milliarden. In der Hauptstadt Peking leben ca. 21,7 Millionen Menschen. Staatspräsident auf Lebenszeit ist seit 17. März 2018 Xi Jinping. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) hat 2017 pro Kopf ca. 8.123 US-Dollar betragen. Die parlamentarische Demokratie Indien ist flächenmäßig mit 3.287.000 qkm bedeutend kleiner. Auf dem Territorium leben ca. 1.31 Milliarden, in der Hauptstadt New Delhi ca. 16,3 Millionen, Menschen. Präsident ist seit dem 25. Juli 2017 Ram Nath Kovind. Bemerkenswert ist der Unterschied im BIP, das nur ca. 1.852 US-Dollar beträgt.

Die politischen und wirtschaftlichen Machtverschiebungen in der Region beunruhigen nicht nur die Anrainerstaaten Chinas und Indiens. Sie haben Auswirkungen auf die gesamte Weltordnung zwischen dem Pazifischen, dem Indischen und Atlantischen Ozean. Beim Blick auf China wird dessen Bedeutung in politischer, wirtschaftlicher und immer stärker werdender militärischer Macht zunehmend kritisch betrachtet. Aber auch Indien darf nicht aus dem Blickwinkel geraten. Dessen Militarisierung und sein Verhältnis zum Nachbarn Pakistan sind konfliktträchtig. Zahlreiche Territorialkonflikte in der asiatischen Region sind ungelöst. Eine sicherheitspolitische Organisation, die hier ausgleichend wirken könnte, wie sie das Nordatlantische Bündnis ist, ist nicht in Sicht. Mit seinen Ausführungen will das Buch: „China und Indien im regionalen globalen Umfeld“ zu einer sachbezogenen Debatte über die geopolitische Problemregion beitragen, schreiben die Herausgeber in der Einleitung.

Chinas Traum von alter Größe wächst

Staatspräsident Xi Jinping hat von Anfang an seinen Traum von der Erneuerung chinesischer Größe verbreitet. Ziel ist es wieder den angestammten Platz historischer Größe zu erreichen. In drei Jahren, 2021, feiert die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) den hundertsten Jahrestag ihrer Gründung. Bis dahin „soll eine Gesellschaft von moderatem, aber einigermaßen gerecht verteilten Wohlstand entstanden sein“. Bis zum 100sten Geburtstag 2049 ist das Ziel, ein reiches, starkes Land zu sein. Ambitionierte Ziele für das Reich der Mitte in der globalisierten Welt. Das Neue China will akzeptiert werden, vor allem von den USA, das wird aber sicher nicht durch Konfrontation sondern nur durch Kooperation gelingen. Als Wirtschafts- und Handelsmacht versucht China in Asien, Afrika, Lateinamerika, Australien und Europa seinen Einfluss politisch geltend zu machen. China hat als größte Exportmacht der Welt inzwischen die USA überholt. Mit dem transkontinentalen Infrastrukturprojekt One Belt One Road (OBOR) oder Neue Seidenstraße genannt, hat sich China ein Jahrhundertprojekt in ökonomischer und politischer Hinsicht vorgenommen. Auf neuen Land- und Seewegen sollen bisher unbekannte Absatzmärkte erschlossen werden. Relativ unbekannt ist, dass China als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, sich an UN-Friedensmissionen beteiligt, auch das erweitert den Aktionsradius und sichert Einfluss in regionalen Gebieten außerhalb des Landes. Sven Bernhard Gareis, analysiert in seinem Beitrag dann noch die Außenpolitik Chinas und schließt ihn mit dem letzten Kapitel „Perspektiven“.

Strategische Partnerschaft zwischen China und Deutschland

Herausgeber Staack befasst sich im zweiten Kapitel besonders mit dem Verhältnis zwischen China und Deutschland. In der Öffentlichkeit ist darüber nicht viel bekannt. China sieht Deutschland, nach den USA und der Russischen Föderation, als drittwichtigsten bilateralen Partner. Das Ein-Parteien-System chinesischer Prägung und die liberale Demokratie in Deutschland haben es da in Bezug auf „Wertekonflikte“ nicht immer einfach. Wirtschaftliches Wachstum und Wohlfahrt in seinem friedlichen Umfeld sind zentrale Ziele chinesischer Politik. Die strategische Partnerschaft zwischen China und Deutschland soll letztendlich helfen den „Chinese Dream“, wie ihn Xi Jinping 2012 proklamierte, zu verwirklichen. China betrachtet Deutschland als Schlüsselstaat in der Europäischen Union (EU) und umgekehrt ist aus deutscher Sicht China der – mit Abstand – wichtigste Akteur unter den neuen Gestaltungsmächten der Weltordnung. Ein Bestandteil der Regierungszusammenarbeit ist die Sicherheitspolitik. Deutschlands Ziel ist die Schaffung von Strukturen der Kooperation für die Etablierung einer Sicherheitsgemeinschaft. Die unter Präsident Barack Obama 2011 beschlossene neue Pazifik-Strategie (Pivot to Asia), die weder mit der EU noch NATO konsultiert wurde, wird auch unter seinem Nachfolger fortgesetzt. Michael Staack glaubt, dass Deutschland sich nicht aus den Konflikten in der Region wird heraushalten können. Es sollte im Interesse der EU und Deutschland liegen, sich als „eigenständiger Akteur“ vor Ort einzusetzen.

Konfliktursachen und Lösungsperspektiven

Das Südchinesische Meer ist ein „unruhiges“ Gewässer. China baut hier seine Außenposten aus. Im Gebiet der Spratly- Inseln wurden mehrere Millionen Kubikmeter Zement auf Riffen verbaut. Die „Große Sandmauer“ genannt, umfasst inzwischen ein Gebiet von über zwölf Quadratkilometern. Das Seegebiet zwischen Vietnam und den Philippinen, eine Wasserstraße immenser Bedeutung, ist jetzt schon ein Konfliktgebiet. Fast ein Drittel des weltweiten maritimen Handelsverkehrs verläuft hier. Der Autor dieses Kapitels Michael Paul analysiert im Folgenden die Schifffahrtswege und die nicht unerheblichen Ressourcen vor Ort, die Ordnungskonflikte, den Schauplatz der Machtrivalitäten. Sein Beitrag endet mit Perspektiven. Er meint, dass der Verband Südostasiatischer Nationen, die sogenannten ASEAN-Staaten, mit China einen verbindlichen Verhaltenskodex für das Südchinesische Meer entwickeln sollten, um die Konflikte zu verringern.

Der Preis der Pax Americana

Dem globalen Wettrüsten in der Region widmet sich Josef Braml. Der amerikanische Präsident setzt in der Region auf die Stärke des Militärs und seine nationale Wirtschaftspolitik. Der gerade beendete G-7-Gipfel hat es den Teilnehmerländern wieder deutlich gezeigt. Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas soll gebremst werden, darin sieht man den „Abstieg Amerikas“. Bisher war z.B. für Japan die USA „Schutzschild“. Die Pax Americana hat aber für Südkorea, Japan und Australien ihren Preis. Die USA verlangen, dass sie dafür Rüstungsgüter kaufen. „Die Geoökonomie der USA ist der Haupttreiber eines neuen globalen Rüstungswettlaufs, der immer mehr in Asien und im pazifischen Raum ausgetragen wird“, schreibt Braml. Den Europäern kann es nicht egal sein, wenn der wichtigste Verbünde USA als „angeschlagene Weltmacht“ angesehen wird. Die USA sind der wichtigste sicherheitspolitische Verbündete Europas und Handelspartner, trotz aller Differenzen. US-Strategen beobachten kritisch, die Verflechtungen von Japan und Südkorea mit China. Die Transpazifische Partnerschaft (TTP) ebenso wie die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) sind geopolitische Maßnahmen, von denen die Beteiligten gegenüber den Unbeteiligten profitieren. Gemäß Trumps Credo „America First“ sind die Regen einfach: amerikanische Güter kaufen und amerikanische Arbeiter einstellen. Inwieweit der US-Dollar seine Währungsfunktion behält, bleibt abzuwarten. Der Autor meint, dass der Dollar auf absehbare Zeit seine Leitfunktion mit dem Euro und dem chinesischen Yuan wird teilen müssen. Beim Blick auf die Hauptabnehmerländer von US-Rüstungsexporten führt Südkorea die Spitze an. Bei den weltweiten Rüstungsausgaben steht die USA mit knapp der Hälfte an der Spitze. Die Macht des militärisch-industriellen Komplex spielt eine große Rolle bei geopolitischen Entscheidungen. Was können Deutschland und Europa tun, um die Konfrontation zwischen China und den USA abzumildern? Hier meint der Autor, dass Deutschland eine diplomatische Brückenfunktion anbieten sollte. Zudem schlägt er die Schaffung eines „NATO-China-Rat“ vor, damit das Konfliktpotential zwischen China und den USA minimiert wird. Auch die EU, sie ist Chinas größter Handelspartner, muss ein vitales Interesse an ausgleichender Politik zwischen den Kontrahenten haben. Sicherheitspolitisch geht dieses Buchkapitel am stärksten auf die Spannungen, mögliche Krisen und Konflikte ein.

Wirtschaftswachstum sorgt für innere Stabilität

Die nächsten beiden Kapitel sind in englischer Sprache verfasst. Hier geht es um Chinas Rolle in den globalen Herausforderungen der Weltwirtschaft (Simon Petzold) und um Kontinuität und Wechsel in Indiens Außenpolitik unter Premierminister Narenda Modi (Sandra Destradi). Im letzten Buchbeitrag versucht Heinz Nissel die Frage zu beantworten, ob Indien zum neuen asiatischen Wachstumsmotor wird. Er beschränkt sich auf die ökonomischen Probleme Indiens. Er geht auf drei Säulen ein: Make in India, Digital Indis und Smart Cities Mission. Er beantwortet seine eigene Fragestellung mit einem Scherz von Radio Eriwan: Im Prinzip JA oder wie er sagt in indischer Denkweise: It depends. Bei diesem: Es kommt darauf an, werden die Veränderungen in der multipolaren Welt auch für Indien eine große Rolle spielen. Modis Reformprogramm für den Subkontinent ist jedenfalls das größte seit der Unabhängigkeit. Er nennt ihn, nach Staatgründer Pandit Nehru, schon jetzt als eine der bedeutendsten Führungspersönlichkeiten Indiens seit Jahrzehnten. Auch wenn Indien wirtschaftlich momentan etwas stärker wächst als China, als Konkurrent im sicherheitspolitischen Kräftedispositiv kann es mit China nicht mithalten.

Wer sich für den asiatisch-pazifischen Raum interessiert, für den ist es ein lesenswertes Buch. Jeder Beitrag hat noch eine ausführliche Literaturliste.

Staack, M., Groten, D. (Hrsg.) 2018: China und Indien im regionalen globalen Umfeld, Verlag Barbara Budrich, Opladen, Hardcover 36,00 Euro, ISBN: 987-3-8487-2191-7.

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