Wie durch Propaganda manipuliert werden soll Rezension von Peter E. Uhde
„Eine unabhängige Bestätigung dieser Meldung…“ oder ähnliche Formulierungen sind in Nachrichtensendungen, seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022, immer häufiger zu hören. „Das erste Opfer im Krieg ist die Wahrheit“, diese Aussage kennt jeder. „Die Schlacht der Lügen“ nennt der Amerikaner John R. MacArthur sein Buch über den Golfkrieg. „Aber wahr muss es sein. Information als Waffe“, „Krieg der Worte-Macht der Bilder. Manipulation oder Wahrheit im Kosovo-Konflikt“, oder „Die Waffe die auf die Seele zielt“ sind andere Buchtitel. „Bilder die lügen“ hieß eine Ausstellung im Haus der Geschichte Ende 1998/Anfang 1999. Und von „Marschall Vorwärts“, Gebhard Leberecht von Blücher (1742-1810), stammt: „Schreiben Sie man immer, gegen wen es auch sei. Ich nehme alles uf mir, aber das sag ich Sie: wahr muß es sind!“
Für uns Medienkonsumenten und demokratische Bürger ist es schon in Friedenszeiten nicht leicht den Wahrheitsgehalt aus der täglichen Informationsflut herauszufiltern. Seit dem 24. Februar 2022, dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, sind wir Beteiligte im Informationskrieg beider Seiten. Anlass für den Autor Christian Hardinghaus sich mit Kriegspropaganda und Medienmanipulation zu befasse. Wir sollten uns nicht täuschen lassen, rät er. Schauen wir auf die Struktur seines Buches und prüfen ob wir aus seinem Rat etwas lernen können.
Im ersten Kapitel geht er darauf ein, wie Propaganda zu erkennen ist. Vier Kernbereiche schreibt er ihr zu: „Manipulation der Massen durch Machthaber mittels Medien“. Hierbei geht es um Massenmedien, die der Nachrichtenvermittlung dienen. In der Kamera sieht er, auch heute noch, eines der mächtigsten Werkzeuge der Massenmedien. „Die Kamera kann nicht lügen, aber sie kann Mittel der Unwahrheit sein“, erklärt der Kriegsberichterstatter Harold Evans. Propaganda will keine Wahrheit vermitteln, sie soll indoktrinieren. Effektive Bekämpfung von Propaganda geschieht durch Bildung, sie lehrt die Menschen „wie sie denken können, während Propaganda ihnen vorschreibt, was sie denken sollen.“
Im zweiten Kapitel wird Propaganda im Wandel der Zeit und Abgrenzung zu Werbung, Public Relation (PR) und Berichterstattung behandelt. Propaganda assoziiert im Prinzip etwas Negatives. Das war nicht immer so. In Deutschland gab es zwischen 1933 und 1945 das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda. Hardinghaus geht in diesem Kapitel auch auf Ursprünge und Entwicklungen dieses Begriffs ein. Das lateinische Verb propagare bedeutet verbreiten. Die Erfahrungen mit Propaganda aus beiden Weltkriegen werden angeführt. In Kriegszeiten spielt Propaganda auf beiden Frontseiten, Angreifer und Verteidiger, eine herausragende Rolle der Beeinflussung der kämpfenden Truppe, aber auch der Zivilbevölkerung. Kritisch wird die Funktion von Medien hinterfragt. Sie dienen den Interessen wirtschaftlicher und politischer Macht und innerhalb Demokratien gibt es nur eine scheinbare Medienvielfalt.
Im folgenden Kapitel werden Propagandamethoden entlarvt. Über 75 Formen und Techniken, sowie deren praktischen Anwendung, sind aufgelistet und erklärt. Mit vielen davon können nur Fachleute etwas anfangen. Auf einige, die immer wieder auftauchen, sei hingewiesen z.B. Fake News. Es sind Mittel der Desinformation, die sich bewusst der Lüge bedienen. Bildlich dargestellt ist die Fotomontage wie Lenin am 5. Mai 1920 in Moskau zu den Massen spricht. Neben ihm sind Trotzki und Kamenew zu sehen. Nach dem beide in Ungnade gefallen waren, wurden sie aus dem Foto herausretuschiert. Der Begriff Potemkinsche Dörfer ist auch nach Russland zu verorten, von unerwünschten Zuständen und Tatsachen wird abgelenkt. Zensur, das verstecken oder verheimlichen von Informationen ist in totalitären Staaten gang und gäbe. In Deutschland ist Zensur per Grundgesetz Artikel 5 verboten. Der Autor stellt aber auch fest „… mittels Manipulation über Probleme in der Gesellschaft hinwegzutäuschen und sich zudem eine Montage auch auf `Schnitte [Ton und Bild] aus Zeitgründen` berufen kann, ist eine intendierte [beabsichtigte oder angestrebte] Zensur nicht leicht nachzuweisen.
Den Hauptteil im Buch beansprucht Kriegspropaganda. Beginnend mit Erläuterungen dazu, folgen Beschreibungen und Erklärungen zu Propagandamaßnahmen in beiden Weltkriegen, Vietnamkrieg, Zweiter Golfkrieg, Kosovo-Krieg und Irakkrieg. Sowohl Angreifer wie Verteidiger standen sich hier im Erfindungsreichtum übelster Methoden nicht nach. Auf die neue Form digitaler Informationskriege wird am Beispiel Syrien und Afghanistan eingegangen. Herausgearbeitet sind Kriegsanlasslügen, so dass festzustellen ist, dass die Wahrheit nicht erst im Krieg, sondern schon im Vorfeld auf der Strecke bleibt. Der Überfall auf den deutschen Radiosender Gleiwitz in der Nacht des 1. September 1939 gilt als die „berüchtigste False-Flag-Opedration der Geschichte“, so der Autor. Gerade erst zwanzig Jahre ist es her, dass der amerikanische Außenminister Colin Powell dem UN-Sicherheitsrat angebliche Beweise für mobile Biowaffenlaboratorien vorlegte. Ohne UN-Mandat griff die Bush-Regierung mit der „Koalition der Willigen“ in der Nacht des 20. März 2003 Bagdag an. Nach Kriegsende stellten sich Powells Beweise für das Vorhandensein von Massenvernichtungswaffen als falsch heraus.
Propaganda im Ukrainekrieg und die Berichterstattung darüber in den deutschen Medien, bilden den inhaltlichen Schluss. Aus journalistischer und Medienwissenschaftler Sicht deklariert sie der Autor als ungenügend, lückenhaft und dilettantisch. Die Hauptgründe sieht er in Einseitigkeiten, Simplifizierungen, fehlender Objektivität und Regierungsnähe. Belegt wird das mit einer Studie der Otto-Brenner-Stiftung, wobei knapp 4300 Beiträge aus Printmedien und TV-Beiträgen untersucht wurden. Was hierbei auch heraus kam, dass sich entgegen journalistischen Prinzipien „objektive Berichterstattung und Meinungsberichterstattung immer stärker vermischen und weniger voneinander abgrenzen.“ Gegen die Manipulationsversuche der Kremlpropaganda aus Moskau wäre es sinnvoll der Bevölkerung aufzuzeigen, wie Propaganda wirkt und wie sie im aktuellen Ukrainekrieg von Russland angewendet wird. Die besten und effektivsten Gegenwaffen wären Aufklärung und Bildung.
In die Tat umgesetzt hat es Christian Hardinghaus, Historiker und freier Journalist, mit dem vorliegenden empfehlenswerten Buch. Sachlich und in klarer Sprache setzt er sich mit den beiden Schlüsselwörtern Kriegspropaganda und Medienmanipulation auseinander. Wer es gelesen hat, wird sich nicht mehr so schnell täuschen lassen.
Christian Hardinghaus: Kriegspropaganda und Medienmanipulation. Was Sie wissen sollten, um sich nicht täuschen zu lassen, Europa-Verlag, ISBN 973-3-95890-563-4, 24,00 Euro.