Der Nordkorea-Konflikt. Interessenlagen, Konfliktdimensionen, Lösungswege.

Stillstand der Abrüstungsgespräche zwischen Seoul und Pjöngjang Rezension von Peter E. Uhde

In den letzten Monaten ist es um die sicherheitspolitische Lage auf der koreanischen Halbinsel etwas ruhiger geworden. Der am 25. Juni 1950 begonnene und nur durch den Waffenstillstand am 27. Juli 1953 beendete Koreakrieg, hat bis heute zu keinem Friedensvertrag zwischen Nord- und Südkorea geführt. Die Militärpotenziale auf beiden Seiten des 38. Breitengrades erreichen eine Dichte, wie nirgends sonst auf der Welt. Die Bilder mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un, dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump oder auch dem Präsidenten der Republik Korea Moon Jae-in gingen um die ganze Welt. Sie versprachen Hoffnung auf eine diplomatische Lösung der Denuklearisierung Nordkoreas. Die seit 2000 praktizierte Sonnenscheinpolitik Südkoreas gegenüber dem Norden und Versuche Trumps haben keine konkreten Ergebnisse gebracht, es herrscht weiter „Waffenstillstand“ Der Blick richtet sich auf andere aktuelle Konfliktregionen in der Welt, von denen es mehr als genug gibt.

Mit dieser sicherheits- und geopolitischen Situation in Nordostasien befassen sich die Autoren des Sammelbandes: Der Nordkorea-Konflikt. In den Beiträgen wird auf die verschiedenen Interessenlagen, die Dimensionen der Spannungen und Krisen, sowie auf Lösungswege eingegangen. Neben dem Herausgeber Michael Staack, tätig am Institut für Internationale Politik der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, sind es weitere sieben Autoren, die die Situation beider Staaten, ihrer Anrainer und Unterstützer beschreiben und analysieren. Zwei Ziele werden mit dem Buch verfolgt. Erstens soll der 2018 begonnene Dialog- und Entspannungsprozess dargestellt werden und zweitens soll versucht werden, die Frage nach den Bedingungen von Rüstungskontrolle in der „neuen Ära des globalen Wettrüstens“ zu beantworten, so der Herausgeber in seinem einleitenden Beitrag “Kann der neue Entspannungsprozess auf der koreanischen Halbinsel erfolgreich sein?“

Nach dieser Einleitung beschreibt Götz Neuneck das „begrenzte Wissen“ über das Nuklear- und Raketenpotenzial Nordkoreas. Dass hier viele Fragen offen sind und man auf Schätzungen angewiesen ist, ergibt sich von selbst. Er definiert in seinem Beitrag auch den etwas vagen Begriff: Denuklearisierung und fragt, was eigentlich eine nuklearfreie Halbinsel Korea für die Nachbarstaaten wie China, Russland und Japan und die in Südkorea stationierten US-Truppen bedeuten würde.

Eric J. Ballbach behandelt die Verhandlungsprozesse zwischen den beiden Koreas und den zwischen den USA und Nordkorea. Nach dem Scheitern der Sechs-Parteien-Gespräche (Korea Nord und Süd, USA, China, Russland und Japan) 2005 kam es ab 2017 wieder zu Gesprächen zwischen den Beteiligten. Letztlich haben aber weder bilaterale noch multilaterale Dialoge Ergebnisse der Denuklearisierung gebracht.

Mit der Nordkoreapolitik des südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in befasst sich Elisabeth I-Mi Suh. Sie geht auf die innenpolitischen Konflikte ein. Hier stehen sich zwei Lager gegenüber. Vereinfacht gesagt: Konservativ gegen Progressiv. Sie geht auch auf die Rolle Südkoreas in dem Entspannungsprozess ein. Letztlich sind dessen Möglichkeiten aber begrenzt, weil die USA als Schutzmacht fungiert. Andere Akteure wie China, Schutzmacht für Nordkorea, Japan und auch Russland haben Interesse an geostrategischer Stabilität.

Hartmut Koschyk richtet den Blick der Leser auf Deutschland und die Europäische Union (EU). Er sieht Deutschland in einer besonderen Verantwortung für eine Wiedervereinigung und begründet das mit der Glaubwürdigkeit, weil Deutschland keine Interessen vor Ort hat. Er regt einen Nordostasien-KSZE- Prozess an, in dem wie beim Zwei-plus-Vier-Prozess Nord- und Südkorea, die USA China, Russland und Japan eingebettet sind. Davon ist aber momentan nicht viel zu sehen.

Der nächste Autor, Josef Braml, begibt sich auf das Feld der „Geo-Ökonomie“. Dieser Begriff beinhaltet nicht-militärische Instrumente staatlichen Handels. Die Konfrontation mit dem Iran, die Geo-Ökonomie der USA und die Nukleare Nichtverbreitung stehen bei ihm im Fokus. Als letzter deutschsprachiger Autor untersucht Sven Bernhard Gareis Chinas Rolle im Nordkorea-Konflikt und fragt, ob China nur Ordnungs- oder auch Garantiemacht ist. Die Beziehung zwischen beiden Staaten ist schwierig. Zitieren wir einen Satz, der dies deutlich macht. Dieser [Kim Jong-un] könnte ebenfalls schnell wieder der Versuchung unterliegen, beide Großmächte gegeneinander ausspielen zu wollen – und China damit wieder in sein altes Dilemma zu stürzen, einen Verbündeten schützen zu müssen, der beständig in die Hand beißt, die ihn füttert. Abschließend erläutert Artyom Lukin die russische Regierungssicht zum Nordkorea-Konflikt. Russland versteht sich als Regionalmacht in Nordostasien und leitet daraus  geo- und sicherheitspolitische Interessen ab. Eine Dokumentation und ein Autorenverzeichnis runden das rd. 200 Seiten umfassende Buch ab. Zudem hat jeder Autor am Ende seines Beitrages ein Literaturverzeichnis angefügt. Insgesamt ist das Werk eine sachliche, der Aktualität angepasste Darstellung des Konflikts, der 1950 mit dem Korea-Krieg begann. Er ist bis heute nicht beendet und hat durch Nordkoreas Atomwaffenarsenal an Schärfe zugenommen. “Es ist daher gut möglich, dass `litte rocket man` die Welt und ihre großen Mächte weiter in Atem hält“.  

Staack, Michael (2020), (Hrsg.): Der Nordkorea-Konflikt. Interessenlagen, Konfliktdimensionen, Lösungswege. Verlag Barbara Budrich, Opladen, ISBN 978-3-8474-2339-3, 36,00 Euro.

Anmerkung: Wenig bekannt ist, dass die Bundesrepublik Deutschland Südkorea 1953 ein Lazarett zur Verfügung stellte. Das Korea-Hospital wurde bis 1959 durch das Deutsche Rote Kreuz betrieben. Leiter der Chirurgie war Eberhard Daerr, der nach Rückkehr aus Korea in die Bundeswehr eintrat und 1969 vierter Inspekteur des Sanitäts- und Gesundheitswesens der Bundeswehr wurde.

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