Sektion Berlin
Organisierte Kriminalität III - Clankriminalität
Strukturen und Herausforderungen
von Raúl Niehoff, Stefan Lukas und Jessica Nies
Am 18.02.2020 fand in der Akademie der Konrad-Adenauer Stiftung e.V. eine Veranstaltung der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. Sektion Berlin in Kooperation mit dem Politischen Bildungsforum Berlin der Konrad-Adenauer Stiftung e.V. zum Thema „Clankriminalität in Deutschland – Strukturen und Herausforderungen“ statt.
Geladene Podiumsgäste waren Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra und Kriminaloberkommissar Daniel Kretzschmar. Die Moderation des Abends übernahm der Advisor der Sektion Berlin, Stefan Lukas.
In seinem kurzen Impulsvortrag nannte Oberstaatsanwalt Sjors Kamstra zunächst die Größenordnung der organisierten Kriminalität in Berlin – so seien rund 20 bis 25 Clans oder arabische Großfamilien in Berlin ansässig allerdings sind nur 8 bis 10 davon kriminell aktiv. Bezeichnend sei ein luxuriöser Lebensstil bei einem geringen offiziellen Einkommen sowie einem „dreisten Vorgehen“ bei juristischen Prozessen und offensichtlicher Missachtung von rechtstaatlichen Normen, die klassischen Ermittlungsmethoden würden aufgrund von massiver Zeugenmanipulation oftmals nicht greifen; erschwerend käme hinzu, dass für die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft besonders im Bereich der Observationen die Ressourcen oftmals fehlten.
Oberstaatsanwalt Kamstra forderte von der Politik mehr Engagement um den „Werkzeugkasten zu füllen“, den die Ermittler zur aktiven Bekämpfung von organisierter Kriminalität bräuchten. Derzeit müssten die Ermittler schnell agieren und „das Momentum nutzen“, wie beispielsweise Immobilien und Autos beschlagnahmen. Problematisch sehe er darüber hinaus die nicht vorhandene Möglichkeit der unbürokratischen richterlichen Vernehmung, bevor die Aussagebereitschaften von Zeugen oder auch Tätern schwinde. Mit Ausblick auf die Zukunft forderte Oberstaatsanwalt Kamstra eine „0- Toleranz- Politik“ gegenüber der organisierten Kriminalität sowie eine konsequente Ahnung von Delikten, permanente Kontrollen, eine dezidierte betriebene Vermögensermittlung. Wichtige Punkte seien darüber hinaus, dass man das Recht des Stärkeren nicht über das Recht des verbrieften Rechtstaates stellen dürfe und dass der Kampf gegen organisierte Kriminalität ausgeweitet werden müsse um einer Bildung von Strukturen, die man später nicht mehr aufbrechen könne, entgegen zu wirken.
Kriminaloberkommissar Kretzschmar machte in seinem Impulsvortrag deutlich, welche personellen Ressourcen man für die Bekämpfung von organisierter Kriminalität benötige – im Schnitt seien dies 20 Personen in drei Teams pro Tag in einem Observationsfall – dies sei notwendig aufgrund der geltenden Arbeitszeitverordnung.
Kretzschmar ging weiterhin auf Fallbeispiele ein und die Größenordnung mit der die Polizei in Berlin konfrontiert sei und das die öffentliche Wahrnehmung die organisierte Kriminalität als „riesiges Problem“ in Umfragen angab.
Auch die Folgen für Ermittler wurden angesprochen – so gebe es zwar schnelle Hilfe und Unterstützung, allerdings sei die psychische Belastung immens hoch und Folgeerkrankungen möglich.
Im folgenden Podiumsgespräch wurde unter anderem thematisiert, dass der Eindruck entstünde „der Staats könne ja nichts“ im Kampf gegen die organisierte Kriminalität und die Notwendigkeit eines besseren Bildes der Polizei in der Gesellschaft.
Als Ausblick in die Zukunft wurde geäußert, dass man sich einen behördenübergreifenden Ansatz wünsche, der alle rechtstaatlichen Möglichkeiten gegen organisierte Kriminalität ausschöpfe. Darüber hinaus müsse es mehr personelle Ressourcen geben und ein effizienteres Abschiebeverfahren von ausländischen Straftätern. Auch die Finanzströme müssten einer stärkeren Kontrolle unterliegen. Gleichzeitig müsse es auch „Ausstiegsangebote“ für Clanmitglieder geben.
Sowohl Oberstaatsanwalt Kamstra als auch Kriminaloberkommissar Kretzschmar waren sich dahingehend einig, dass es besseren Rahmenbedingungen bedürfe, um die polizeilichen Ermittlungen gegenüber der organisierten Kriminalität zu erleichtern.
Nach einem zusammenfassenden Schlusswort und einem kleinen Empfang endete die Veranstaltung.