Sektion Bonn
Einsatzerfahrung als ein Vertreter Ärzte ohne Grenzen in Krisen- und Kriegsgebieten
Nachbericht zum Vortrag „Einsatzerfahrung als ein Vertreter Ärzte ohne Grenzen in Krisen- und Kriegsgebieten“ am 21.04.2021
Herr Philipp Frisch, Ärzte ohne Grenzen (Head of Berlin Advocacy Unit), trug zu „Einsatzerfahrung als ein Vertreter Ärzte ohne Grenzen in Krisen- und Kriegsgebieten“ vor. Er arbeitet seit 2009 für „Ärzte ohne Grenzen“ und konnte auf eigene Einsatzerfahrungen z.B. in Zimbabwe, Swasiland, Südafrika und Äthiopien verweisen.
Aufgrund der aktuellen Corona-Situation konnte der Vortrag nur als ZOOM-Veranstaltung durchgeführt werden. Dennoch war das Interesse groß. Die ca. 50 Teilnehmer folgten dem Vortrag und beteiligten sich zum Teil an der anschließenden Diskussion.
Wichtig war dem Referenten zu Beginn klarzustellen, was für „Médicins sans Fontiéres“ (MsF) bzw. dem deutschen Anteil „Ärzte ohne Grenzen“ wesentliche Charakterzüge sind: unparteiisch, neutral und unabhängig von politischen Strukturen und Organisationen - prinzipienorientiert. Wenig bekannt dürfte sein, dass die MsF ca. 45.000 Mitarbeiter hat, die in 70 Ländern tätig sind. Finanziert rein aus Privatspenden, also keine staatliche Subvention. Allein aus Deutschland 220 Mio. Euro.
Herr Frisch erläuterte die zentrale Aufgabe von „Ärzte ohne Grenzen“ als Hilfe zu leisten, wo staatliche Hilfe nicht ausreiche oder versage. Es gehe um die einfache – aber doch schwere Aufgabe – Leben zu retten, Leiden zu mindern und die Würde wieder herzustellen. Hierzu engagiert sich die Organisation u.a. im Bereich der basismedizinischen Versorgung, der Geburtshilfe, der Chirurgie, der Reaktion auf Epidemien, aber auch der Ernährungshilfe.
Es sei – so Herr Frisch – auch die Aufgabe der „Ärzte ohne Grenzen“ auch hin und wieder einmal „laut zu werden“ und auf Leid hinzuweisen; zugleich räumte er aber auch ein, dass es manchmal vergeblich sei, auf Helfen zu hoffen und gab dafür mit Zentralafrika, Jemen und dem Südsudan anschauliche Beispiele. Dabei sei ein Sicherheitsmanagement erforderlich, das glaubwürdig sei. „Wir sprechen mit jedem, der mit uns redet“ sei die Maxime. Es sei hierbei aber dennoch ein notwendiger Abstand zu militärischen Akteuren zu wahren, nicht Partei zu ergreifen oder staatliche Reformprozesse zu unterstützen, geschweige denn Regime zu stürzen. Leitlinie hierbei seien humanitäre Prinzipien wie Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Unabhängigkeit und Neutralität. Wissend, daß der Bedarf an Hilfe immer größer sei als die verfügbaren Mittel.
Herr Frisch scheute sich auch nicht, im Rahmen eines „reality check“ den Missbrauch humanitärer Hilfe aufzuzeigen, also die Instrumentalisierung von Hilfe durch staatliche Organisationen, und dabei die Grenzen eigenen Handelns darzulegen. Er machte dieses anschaulich am Beispiel Nigeria, Nordäthiopien und Nordkongo. Er brachte es auf den Punkt, als er von staatlicher Hilfe für Terroristen, Angriffen auf medizinische Einrichtungen und letztlich einer Unterminierung humanitärer Hilfe sprach. Trotzdem sei auch ein Dialog mit den Terroristen erforderlich, wenn sie denn Gebiete mit ziviler Bevölkerung kontrollierten. Es gehe nicht um Gut und Böse, sondern um neutrale Hilfe.
In seiner Zusammenfassung hielt Herr Frisch fest, dass das Sicherheitsmanagement von humanitären Organisationen auf der den oben dargestellten Prinzipien und deren Wahrnehmung basiere. Zugleich aber dieses bedroht werde durch Instrumentalisierung für politische Zwecke, Kriminalisierung und eine Kultur der Straflosigkeit bei Angriffen.
Die folgende Diskussion fokussierte sich u.a. auf die Fragen nach Anwendung militärischer Gewalt zur Umsetzung humanitärer Hilfe, der Betreuung des eingesetzten Personals nach den Einsätzen, dem Eigenschutz sowie Anfeindungen der Organisation in Deutschland.
Anschließend wurden in einem virtuellen Thekengespräch mit dem Referenten Gedanken zu den Themen in lockerer Runde ausgetauscht und intensiv diskutiert.
Herr Frisch hat das Thema aus eigenem Erleben heraus authentisch, engagiert und mit sehr viel Herzblut vorgetragen; ohne die Realität zwischen Möglichkeiten und Grenzen des eigenen Handelns zu übersehen. Er hat dabei nicht vor den negativen Aspekten die Augen verschlossen. Herr Frisch hat – wie er sich ausdrückte – auch einige „steilere Thesen“ vertreten. Aber gerade das machte seinen Vortrag so interessant. Nicht „Mainstream“, sondern persönliche Erfahrung und Betroffenheit.
Anregung für Diskussionen zu einem Thema, dem man sich in Deutschland nicht (so gerne?) stellt.
Den Vortrag als pdf finden Sie unter "Download der Einladung"
Text: Joachim Schulz, Pressebeauftragter GSP Bonn