Sektion Bonn

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Dienstag, 26.04.2022 - 19:00

Der Zustand der Bundeswehr im Angesicht des Ukraine-Krieges

Als wir Anfang des Jahres mit den Planungen zu der Veranstaltung mit der Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages begannen, wollten wir mit Ihr über ihre Innenansichten zum Zustand der Bundeswehr und über ihren Jahresbericht an den Deutschen Bundestag diskutieren. Keiner von uns ahnte zu diesem Zeitpunkt, welch gravierende Änderungen der sicherheitspolitischen Situation uns unmittelbar bevorstand. Durch den Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich die Welt in unbeschreiblicher Weise verändert. Ein brutaler Krieg in Europa mit Auswirkungen auf die gesamte Welt, auf alle Sicherheitsarchitekturen, auf Rohstoffpreise und damit auf jeden Einzelnen von uns - das war nicht vorstellbar und ist dennoch Realität geworden.
Webinar

 

 

 

Referent: Dr. Eva Högl , Wehrbeauftragte

Dr. Eva Högl, Christiane Heidbrink, Jakob Ortschig, Anika Winhoven (v.l.n.r.) Foto: Copyright CH.

 

 

Nachbericht über den Besuch der Wehrbeauftragten bei der JGSP Bonn

Am 26. April 2022 konnte die Junge GSP Bonn die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags, Dr. Eva Högl, zu einer Onlineveranstaltung begrüßen. Die promovierte Juristin und Innenpolitikerin ist mittlerweile seit zwei Jahren im Amt als Anwältin aller Soldat*innen der Bundeswehr. Aufgrund ihres Amtes gilt Sie als eine der am besten Informierten über die Truppe. Der Vortrag der Wehrbeauftragten mit anschließendem Diskussionsteil fand vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine statt. Ihre bisherigen zwei Jahre im Amt bezeichnete Högl gegenüber dem Moderatorenteam der Jungen GSP Bonn als eine Zeit mit vielen schönen Momenten, aber auch mit Herausforderungen. Ihr Wehrbeauftragten Bericht, welcher dem Bundestag am 15. März vorgestellt wurde, müsse vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine neu bewertet werden. Högl ging zunächst auf Positives ein: So erfahre die Bundeswehr derzeit ein hohes Interesse seitens der Öffentlichkeit. Der zurückliegende Bundestagswahlkampf zeichnete sich laut der Wehrbeauftragten durch ein großes Desinteresse an der Truppe aus. Heute hingegen erfahren die Soldaten*innen eine große Wertschätzung zudem bestehe jetzt die Chance anlässlich der „Zeitenwende“ die Bundeswehr ordentlich zu finanzieren.

Im weiteren Verlauf des Gesprächs ging die Wehrbeauftragte auf die Inhalte ihres Jahresberichts ein. Anders als ihre Vorgänger*innen legt Eva Högl Wert darauf, dass nicht nur Negatives in den Jahresbericht einfließt. Weitere schwerpunktartige Themen waren die Amtshilfe in der Pandemie und im Rahmen der Hochwasserkatastrophe im Sommer 2021, das Ende des Afghanistaneinsatzes und 20 Jahre Frauen in allen Teilen der Bundeswehr. Dr. Högl sagte, die Amtshilfe dürfe nicht primäre Aufgabe der Truppe sein, Amtshilfe sei immer subsidiär, sie dürfe die Bundeswehr nicht dauerhaft binden.

Auch bedürfe der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan bzw. das langjährige deutsche Engagement am Hindukusch eine politische Aufarbeitung.

Besonders freut es die Wehrbeauftragte, dass im Jahr 2021 das Jubiläum 20 Jahre Frauen in allen Teilen der Bundeswehr gefeiert werden konnte. Der Anteil weiblicher Soldaten liege derzeit bei 13%, da müsse die Bundeswehr für Frauen noch attraktiver werden. Derzeit seien in der Bundeswehr (zivil wie militärisch) 11 Frauen oberhalb der Ebene Besoldungsstufe B3 beschäftigt. Auch hier müsse der Anteil der Frauen wachsen, zwar nicht durch eine Quotierung, jedoch durch Eignung, Leistung und Befähigung.

Der Jahresbericht enthält auch die übliche Trias aus Material, Personal und Infrastruktur. Diese Punkte seien laut Dr. Högl alle defizitär. Verantwortlich hierfür zeichnet die Wehrbeauftragte eine schleppende Bürokratie. Die Ausstattungsdefizite der Truppe sind der Wehrbeauftragten zufolge sehr umfassend, ein Bereich in dem dies besonders auffällig ist, sei die Einsatzvorbereitung der Soldat*innen. So würden Soldat*innen beispielsweise nicht auf den Fahrzeugen ausgebildet werden, welche sie im Einsatz vorfänden, auch fehlte es in der einsatzvorbereitenden Ausbildung oftmals an Schutzwesten, sodass der Grundsatz „Train As You Fight“ nicht mehr gewahrt bliebe. Die Personalgewinnung bezeichnete Dr. Högl als Daueraufgabe der Bundeswehr, vor allem vor dem Hintergrund des geplanten Personalaufwuchs bis 2030 auf 203000 Soldat*innen.

Im Anschluss an den Vortrag von Dr. Högl konnten die Besucher ihre Fragen stellen. Großes Interesse brachten die Zuschauer der sogenannten Zeitenwende entgegen. Trotz dieser Zäsur und einem Wechsel der Bundesregierung im letzten Jahr sieht Högl die Linien der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik als stabil und kontinuierlich an. Der Krieg setze jedoch die Akzente. Jetzt müsse eine neue Denkweise herrschen, auch um die bisherige Kontinuität zu durchbrechen. Das Verhältnis zu Russland müsse neu gedacht werden. Jetzt zeige sich, dass die NATO wichtig und handlungsfähig sein kann, was sinngemäß auch auf die EU übertragbar sei. Ebenso interessierte sich das Publikum für die durch die Wehrbeauftragte angesprochenen Aspekte des Jahresberichts und nutzten das Format zur Vertiefung des Vortrags. Beispielsweise wurden Nachfragen zur Reserve, Auslandseinsätzen, Resilienz, Desinformation und Politische Bildung gestellt.

Die Veranstaltung fand sehr reges Interesse und bestach durch eine glaubwürdige Offenheit, Ehrlichkeit und klare Ansprache der Herausforderungen.

Das Video finden Sie auch auf dem YouTube-Kanal der Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V. Hier können Sie klicken.

Text: Benedikt Roelen, Major und Koordinator JGSP Bonn

 

 

 


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