Sektion Bonn

Sektion Bonn

Mittwoch, 13.09.2023 - 19:00

„European Sky Shield Initiative – Politisch-militärische Blickwinkel auf gegenwärtige Realitäten“

Vortrag (Präsenz) + Webinar
Referent: Lutz Kohlhaus , Generalleutnant und Stv InspL

Der SL Richard Rohde (r) begrüßt die Gäste, © R. Heckenlauer


GenLt L. Kohlhaus, Stv InspL, © R. Rohde


Oberstlt i.G. Stangl, BMVg, © R. Rohde


Oberstlt i.G. Leder, Kdo Lw, © R. Rohde


v. l., Oberstlt i.G. Leder, Oberstlt i.G. Stangl, GenLt Kohlhaus, GenLt a.D. Naskrent, Präsident der GFF e.V., © R. Heckenlauer


Die Referenten und das Team der Sektion Bonn, © Sektion Bonn

 

 

Berichterstattung zur Veranstaltung „European Sky Shield Initiative – Politisch-militärische Blickwinkel auf gegenwärtige Realitäten“

Der Stellvertreter des Inspekteurs der Luftwaffe, Herr Generalleutnant Lutz Kohlhaus, ein Vertreter des BMVg Plg I4, Herr Oberstleutnant i.G. Manfred Stangl, und des Kommando Luftwaffe Referat Grundsatz Führung und Einsatz Boden, Herr Oberstleutnant i.G. Manuel Leder trugen zum Thema „European Sky Shield Initiative (ESSI) – Politisch-militärische Blickwinkel auf gegenwärtige Realitäten“ in einer hybriden Kooperationsveranstaltung (ca. 100 Teilnehmer) mit der Gemeinschaft der Flugabwehr und Flugabwehrraketentruppe (GFF) vor.

In seiner Begrüßung ordnete der Präsident der GFF, Herr Generalleutnant a.D. Dieter Naskrent, die ESSI in den militärischen und militärpolitischen Rahmen ein und verwies auf die Kernaussagen der im April durchgeführten Vortragsveranstaltung zu den politisch-strategischen Dimensionen von ESSI.

Generalleutnant Kohlhaus skizzierte zu Beginn seines Vortrages den Hintergrund der ESSI, die durch Bundeskanzler Scholz am 29.08.2022 angeregt wurde. Er nannte vor allem den „Schock“, den der russische Angriffskrieg mit seinen Folgen insbesondere auch für die schutzlose Zivilbevölkerung ausgelöst habe. Dieses dürfe bei uns nicht passieren. Er betonte, dass nach Jahren der Reduzierung die Luftverteidigung sich diesen neuen Herausforderungen, denen sie nicht ausreichend gewachsen sei, stellen müsse. ESSI biete hierauf eine europäische Antwort. Mittlerweile neunzehn Nationen hätten dieses ebenso erkannt. Neben den unverkennbar rüstungswirtschaftlichen Aspekten träte der operative Nutzen in den Vordergrund. Deutschland als Anlehnungsnation, die bereit sei, Führungsverantwortung zu übernehmen, habe mit ESSI den ersten Anstoß zum Fortschritt in der Luftverteidigung gegeben. Auch wenn die Initiative von Bündnisnationen angeregt und überwiegend getragen werde, gehe es nicht um eine „Sonderluftwaffe“ oder Konkurrenz zur NATO. Er stellte klar, dass ESSI nicht vorstellbar sei außerhalb der Integrierten Luftverteidigung. In seinen weiteren Ausführungen grenzte der Vortragenden ESSI zum Ballistic Missile Project der NATO hinsichtlich der Bedrohungsszenarien, der Führungsarchitektur und der Waffensysteme ab. Generalleutnant Kohlhaus trug weiterhin zum Sachstand ARROW 3 vor, das„nicht erklärter Teil von ESSI“ aufgrund rechtlicher und politischer Regelungen mit den Vertragspartnern USA und Israel sei. Dieses Waffensystem biete nicht nur einen Schutz vor ballistischen Flugkörpern, sondern erstmals Deutschland die Möglichkeit der effektiven nationalen Frühwarnung (Stichwort „Schock“). Zur Einbindung von ARROW 3 in die Integrierte Luftverteidigung verwies er auf die zukünftige Entwicklung. Ein weiterer Schwerpunkt seines Vortrages war der Ausbildung und Kooperation mit Partnernationen gewidmet. Dieses berührte auch Fragen des erforderlichen Personals, das als Ressource knapper als Geld oder Munition sei – wie er pointiert feststellte. Zum Schluss widmete er sich noch dem Aspekt der Bedrohung durch Drohnen und der Antwort auf diese Herausforderung, für die es noch keine klare Lösung gebe.

Den zweiten Teil der Vorträge bestritt Oberstleutnant i.G. Stangl, BMVg Plg I4. Nach einer kurzen Darstellung des Ausgangspunktes von ESSI führte er zu der erstaunlich schnellen Entwicklung der Initiative aus. Nach nur einem Jahr seien bereits in „mehreren Wellen“ nunmehr neunzehn Nationen Mitglied. Vertragsrechtliche Regelungen seien auf die Besonderheiten zum Beispiel neutraler Staaten wie Österreich oder Schweiz individuell zugeschnitten worden. Der Vortragende betonte, dass ESSI eingebettet in die NATO Integrierte Luftverteidigung realisiert werde. Es gehe dabei um die (Weiter-) Entwicklung und Standardisierung von Regelwerken für

Technik, Taktik und Verfahren. ESSI mache aus: (1) Multinationale bzw. nationale Beschaffung, (2) gemeinsame Logistik, (3) Errichtung und Betrieb eines European Air Defence Centre und (4) Aktivitäten im Rahmen des Framework Nations Concept. Zu beachten sei dabei, dass der Beitritt zu ESSI ohne Verpflichtung erfolge, individuelle Beschaffungsentscheidungen von Teilelementen und Anpassungsentwicklungen in eigener Zuständigkeit möglich seien. In seinen weiteren Ausführungen ging der Referent auf die deutschen Projekte im Rahmen ESSI ein. Letztlich folgten Betrachtungen zum allgemeinen Zustand der Luftverteidigung in Europa und dem damit verbundenen enormen Investitionsbedarf aufgrund Alter und Herkunft der Waffensysteme. Dieses leitete zu nationalen Industrie- und Politikinteressen über. Hier führte er insbesondere zu Frankreich und Polen aus.

Den abschließenden Vortrag übernahm der Vertreter Kommando Luftwaffe, Herr Oberstleutnant i.G. Leder. Er befasste sich mit der Umsetzung von ESSI in konkretes Handeln: Es gehe darum, was der Operateur gewinnen möchte. Er hielt nicht hinter den Berg mit erkennbaren Defiziten in der Ausbildung trotz hoher Standards vor allem vor dem Hintergrund der umfangreicheren und gewachsenen Bedrohung. Hier verwies er auf die Erkenntnisse aus Übungen in Polen, der Slowakei und in Litauen. Man sei bei der Ausbildung neue Wege gegangen, insbesondere auch in der Zusammenarbeit mit der Industrie und den lokalen Infrastrukturbehörden, die an einem Strang gezogen hätten, da sie ein gemeinsames Verständnis ihrer Aufgaben und Verantwortlichkeiten entwickelt hätten. So sei das Ausbildungszentrum für IRIS-T in nur acht Monaten etabliert worden. Man wolle dieses auch den Partner anbieten und diese einbinden, um Synergien zu schaffen und die Interoperabilität in allen Bereichen zu fördern. Ziel sei das European Air Defence Training Centre. ESSI sei dabei die verbindende Klammer.

Die anschließende Diskussion vertiefte vertragsrechtliche Fragen, die Produktion und Beschaffung der erforderlichen Waffensysteme und damit verbundene Ausbildung des Personals, das Verhältnis zu den USA und NATO hinsichtlich ESSI sowie die Bedrohung durch Drohnen und aus dem Cyberraum sowie durch Russlands Potentiale im Besonderen.

Die Veranstaltung setzte die im April auf politisch-strategischer Ebene begonnene Diskussion zu ESSI auf der politisch-militärischen Ebene mit dem konkreten Aussagen zur Planung und Umsetzung in facettenreichen, umfassenden und kompetenten Vorträgen gewinnbringend für die Zuhörer fort. Insbesondere gelang es zu zeigen, dass ESSI nur wenige Monate nach ihrer Ankündigung bereits klare Meilensteine setzt, die eine realistische Umsetzung und greifbare Resultate in naher Zukunft zeitigen werden.

Unter Download der Einladung finden Sie den Bericht von BMVg Plg I 4.

Diese Veranstaltung kann bei YouTube unter Gesellschaft für Sicherheitspolitik nachverfolgt werden. Link

Text: Joachim Schulz, Pressebeauftragter GSP Bonn

 

GESELLSCHAFT FÜR SICHERHEITSPOLITIK E.V.

Vereinsregister-Nr. 5684
beim Amtsgericht Bonn

KONTAKT

Hauptstadtbüro:              
Reichstagufer 14, 10117 Berlin  
Tel.: +49 (0) 30 20648549
praesident©gsp-sipo.de

Geschäftsstelle Bonn:  
Wenzelgasse 42, 53111 Bonn
Tel.: +49 (0) 228 - 652556
Fax: +49 (0) 228 - 658093
geschaeftsstelle©gsp-sipo.de

GEMEINNÜTZIGKEIT

Die GSP e.V. ist  als gemeinnützig und spendenfähig anerkannt worden.

 

 

 

©  Gesellschaft für Sicherheitpolitik e.V.