Sektion Delmenhorst

Sektion Delmenhorst

Mittwoch, 12.09.2018 - 19:30

Das neue Machtzentrum im Nahen Osten: Russland, Türkei, Iran

Im Jahr 2015 ist das Regime von Baschar Hafiz al-Assad in Syrien praktisch am Ende: weite Teile des Landes und beim Nachbarn Irak sind unter Kontrolle des IS, „Revolutionäre“, die Assad loswerden wollen, kämpfen gegen seine Armee. Al Nusra, von Al Qaida abstammend, und weitere religiös bestimmte „Milizen“ spielen ihr eigenes Spiel um Machtgewinn und Einfluss. Im wesentlichen die Kurden, die mit geschätzt 30 Mio Menschen verteilt in den vier Staaten Syrien, Türkei, Irak und Iran leben und denen ein eigener Staat verweigert wird, führen den verlustreichen Bodenkampf gegen den IS sowohl im Irak als auch Syrien, aus der Luft unterstützt von einer US-geführten Koalition, darunter auch Deutschland.
Vortrag und Diskussion
Referent: Dr. Heinrich Heiter , Dipl. Politologe und freier Publizist Ehem. Leiter der politischen Bildungsstätte Helmstedt e.V.

Der Referent, Dr. Heinrich Heiter, Jahrgang 1946, hat nach einer zweijährigen Bundeswehrdienstzeit ein Studium der Politikwissenschaft in Berlin mit dem Schwerpunkt sowjetische Innen- und Außenpolitik absolviert. Nach seiner Promotion im Jahre 1977 war er dreißig Jahre in der Erwachsenenbildung tätig. Sein Arbeitsgebiet lag im Bereich Internationale Politik. Von 1993 bis 2007 war er Leiter der Politischen Bildungsstätte Helmstedt. Neben einer intensiven Beschäftigung mit der Entwicklung des Nahen / Mittleren Ostens seit dem Jahr 2000 nutzte er die Möglichkeit zu mehreren Aufenthalten in Israel, im Gebiet der Westbank und des Golan sowie in Syrien, Jordanien und in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Ort: "Oase Haus Adelheide" (Soldatenheim), (vor Delmetal-Kaserne), - Abernettistraße 43 , 27755 Delmenhorst
Organisator: Herr Oberstleutnant a.D. Rolf Dieter Wienand , Sektionsleiter delmenhorst@gsp-sipo.de
Donnermoor 48, 27777 Ganderkesee  04222 / 950221

Die Präsidenten Putin, Rohani und Erdogan - Quelle: www.kremlin.ru - Lizenz: CC BY 3.0



“USA und EU sind raus und ohne Einfluss!“. Das ist das Fazit des Vortrages von Dr. Heinrich Heiter am 12.09.18 vor der Delmenhorster Sektion der GSP und ihren Gästen unter der Überschrift „Das neue Machtzentrum im Nahen Osten: Russland Türkei, Iran“. Eingeladen hatten wie immer der Standortälteste der Bundeswehr und die Sektion, unterstützt vom örtlichen VdRBw. Vortragssaal war, ebenfalls traditionell, das „Haus Adelheide“ in Delmenhorst.

In dieser Lage greift Russland zugunsten Assads massiv militärisch in den Krieg ein. Zwar ist der IS das behauptete Ziel, tatsächlich aber werden alle Kräfte bombardiert, die gegen Assad sind und später kurzerhand und insgesamt „Terroristen“ genannt werden. Dass Krankenhäuser zerstört werden und zivile Infrastruktur, fällt offenbar unter „Kollateralschäden“. Nach russischen Angaben werden in mehr als 39.000 Einsätzen vorwiegend der Luftwaffe 86.000 feindliche Kämpfer getötet, 121.000 Ziele zerstört und 63.000 Soldaten eingesetzt, dazu Söldner in unbekannter Zahl. Ziel Russlands ist der Machterhalt Assads und dadurch ermöglicht der auf zunächst 49 Jahre festgelegte Verbleib in der auf das Doppelte auszubauenden Marinebasis Tartus und Neubau einer russischen Luftwaffenbasis in der Nähe von Latakia. Willkommene Nebeneffekte sind, dass US-amerikanischer und EU-Einfluss marginalisiert wird und Russland wieder „auf Augenhöhe“ agiert, nachdem Präsident Obama das Land zur „Regionalmacht“ herabgestuft hatte.

Der schiitische Iran stellt sich an die Seite des in der Minderheit befindlichen alawitischen (den Schiiten zugehörig) Assad-Clans mit 3.000 „Revolutionsgardisten“ des Iran, ca. 10.000 schiitischen Söldnern, „Milizionäre“ genannt, aus überwiegend Pakistan, Irak und Afghanistan, und dazu 6.000 Hisbollahkämpfern aus Libanon, allesamt unter direkter iranischer Führung, aber „auf Einladung“ Syriens im Lande. Ziel Irans ist die Schaffung eines „Schiitischen Korridors“ von Teheran über Bagdad (60% der Iraker sind Schiiten) und Aleppo zur Mittelmeerküste, untermauert von militärischer Präsenz in Syrien als Basis für den Kampf gegen Israel. (Exkurs: Russland hat, wohl in engem Kontakt mit Israel, israelische Angriffe in Syrien auf iranische Waffenlieferungen an Hisbollah und andere nie unterbunden oder kommentiert, das Eindringen einer iranischen Drohne nach Israel verschwiegen, aber den offenbar von iranischen Kräften erfolgten Abschuss einer israelischen F15 gemeldet, nachdem Israel als Reaktion auf den Drohneneinsatz iranische militärische Einrichtungen in Syrien angegriffen hatte. Israel hat unmissverständlich erklärt, iranische (militärische) Präsenz in Syrien nicht zu erlauben und auch einen „Sicherheitskorridor“, wie von Russland vorgeschlagen, abzulehnen. Hier entsteht ein neues Vortragsthema! Ende des Exkurses.)

Eine besondere Rolle spielt die Türkei, NATO-Mitglied und Widersacher gegen die USA gleichzeitig. Hatte es ausgesehen als ob ein Frieden zwischen der Türkei und den (türkischen!) Kurden in Gang gesetzt sei, wurde der wieder zum Krieg, als die Partei der Kurden zweimal der AKP die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament verwehrte. Die Kurden sind wieder Terroristen, und die Urangst des Erdogan-Regimes, sie könnten ihre Erfolge gegen den IS, durchaus mit Mitteln der „ethnischen Säuberung“, nutzen und ein zusammenhängendes Gebiet entlang der 911 km langen Grenze zur Türkei, davon 290 km „zugemauert“, unter ihre Kontrolle und Einfluss bringen, setzt das Hauptziel der Türkei, unter allen Umständen, einschließlich Kriegführung gegen die Kurden auch auf syrischem Boden, solches zu verhindern. Dahinter tritt das ursprüngliche Ziel, Assads Herrschaft zu beenden, zurück. Die Türkei erobert die syrische Provinz Afrin mit Hilfe sunnitischer Milizen, mit russischer Duldung und unter Wegsehen von USA und EU und fordert die USA auf, ihre Soldaten aus der Stadt Manbidsch abzuziehen, weil auch diese erobert werden soll, um den kurdischen Lückenschluss zu vereiteln. Tatsächlich ziehen die USA ab und verlieren damit entscheidenden Einfluss. Russland ist darüber nicht enttäuscht. Die nun unter türkischer Herrschaft stehenden syrischen Landesteile könnten dazu dienen, die drei Mio Flüchtlinge aus der Türkei dorthin zu bringen und die kurdischen Gebiete so dauerhaft zu trennen. Allerdings will Assad die Flüchtlinge nicht zurückhaben, und Russland eine Nachkriegsordnung nach eigenen Bedingungen: die Lage bleibt verwickelt, zumal der IS zwar militärisch geschlagen zu sein scheint, aber wenigstens die Fähigkeit zum Terror behalten will und auch zeigt.

Der Referent schloss mit einem Ausblick auf die bevorstehende „Endlösung“ in der letzten noch nicht unter assadscher Kontrolle stehenden „Sicherheitszone“ Idlib, vergaß nicht, noch einmal zu verdeutlichen, dass USA und EU keine wesentliche Rolle in diesem Teil des Nahen Ostens (mehr) spielen, stellte sich Fragen zum Beispiel nach der Auswirkung des Kaufs hochmoderner russischer Raketenabwehrtechnik durch die Türkei, und erhielt den verdienten Applaus.

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