Sektion Delmenhorst

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Mittwoch, 18.01.2023 - 18:30

Neue NATO-Strategie?

Sachstand und Auswirkungen auf Deutschland

Referent: Professor Michael Staack , Professor an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg

Von 1977 bis 1984 studierte er Politische Wissenschaft, Öffentliches Recht und Neuere Geschichte an der Universität Hamburg und der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Seinen Abschluss als Diplom-Politologe machte er 1984 unter anderen bei Wolf Graf von Baudissin.

Im Jahre 2006 folgte er einen Ruf an die Helmut-Schmidt-Universität, wo er seitdem Professor für Politikwissenschaft, insbesondere Theorie und Empirie der Internationalen Beziehungen ist. In Hamburg ist er seit 2009 auch Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats am Institut für Theologie und Frieden. In den Jahren 2014 und 2017 war er Gastprofessor an der Pekinger Fremdsprachenuniversität und der China Foreign Affairs University. 2010 war er Prodekan und 2011/12 Dekan der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Hamburger Bundeswehruniversität.[2]

Überdies ist Prof. Staack seit 2006 an der Führungsakademie der Bundeswehr (FüAkBw) in Hamburg tätig, wo er Präses des Wissenschaftlichen Forums für Internationale Sicherheit (WIFIS) wurde. Seit 2008 ist er auch Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH) und seit 2009 Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats des Instituts für Theologie und Frieden (ITHF) in Hamburg. Seit 2014 ist er Mitglied der Hochrangigen Beratergruppe der Außenminister Deutschlands und Südkoreas zu außenpolitischen Aspekten der Wiedervereinigung Koreas. (Quelle: WIKIPEDIA, aufgerufen am 02.05.2022)

Ort: "Oase Haus Adelheide" (Soldatenheim), (vor Delmetal-Kaserne), - Abernettistraße 43 , 27755 Delmenhorst
Organisator: Herr Oberstleutnant a.D. Rolf Dieter Wienand , Sektionsleiter delmenhorst@gsp-sipo.de
Donnermoor 48, 27777 Ganderkesee  04222 / 950221

Der Referent links) mit dem Sektionsleiter


 

Eigenbericht der Sektion Delmenhorst zum Vortrag vom 18.01.2023

Neue NATO-Strategie (2022): Sachstand und Auswirkungen, besonders auf Deutschland

Der renommierte Politikwissenschaftler und Hochschullehrer Prof. Dr. Michael Staack von der Helmut-Schmidt-Universität/ Universität der Bundeswehr Hamburg weilte erstmalig in Delmenhorst und konnte 43 Teilnehmer mit interessantem, kurzweiligem Vortrag und anschließend souverän gestalteter Diskussions- und Fragerunde begeistern.

Eingangs beschrieb er die gravierenden Unterschiede zur Doktrin aus dem Jahr 2010. Seinerzeit hatte der amerikanische Präsident gerade für seine Bemühungen zur Stärkung der internationalen Diplomatie und der Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern, besonders durch Abrüstung der Atomwaffen, den Friedensnobelpreis  erhalten, und der russische Präsident Dimitri Medwedjew galt als Reformer und moderater Staatsmann. Es bestand die Chance, dass Europa als Akteur der ersten Reihe akzeptiert werden würde.

Doch wenig entwickelte sich zum Positiven. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit einhergehende Zerstörung der „unfertigen“ europäischen Sicherheitsordnung, der Nord-Süd-Gegensatz und das wirtschaftlich und politisch aufstrebende China erforderten (endlich) eine Neubewertung der Lage durch die NATO und die Anpassung ihrer Strategie. Diese wurde dann auf dem Gipfel von Madrid im Juni 2022 – schon unter dem Eindruck der russischen Invasion - beschlossen.

Kernaufgabe wurde wieder – wie zu Zeiten des Kalten Krieges – die kollektive Verteidigung des Bündnisgebiets, nun aber unter den Bedingungen der hybriden Kriegsführung. Als die drei zentralen Instrumente führte der Redner Abschreckung und Verteidigung, Krisenprävention und Krisenmanagement sowie kooperative Sicherheit auf. Das zwölfseitige Dokument sieht Bedrohungen u.a. durch autoritäre Staaten, Instabilität im Nahen Osten, Migration und Folgen neuer Technologien und der Klimaveränderung. Es erkennt Russland als Gefahr und China als neue Herausforderung. Dessen ungeachtet wird die Bereitschaft zum „konstruktiven Engagement“ mit China erklärt. Besonders die Rüstungskontrolle wird als essenziell für die strategische Stabilität und internationale Ordnungspolitik angesehen. Hierbei geht es um Transparenz (insbesondere des chinesischen Atomwaffenpotenzials) und Obergrenzen.  In Bezug auf kooperative Sicherheit bleibt die Tür für neue NATO-Mitglieder offen. Ausdrücklich erwähnt: Georgien, Bosnien-Herzegowina und die Ukraine, ausdrücklich nicht erwähnt: Schweden und Finnland. Professor Staack brachte an dieser Stelle seine Zuversicht zum Ausdruck, dass nach den Präsidentschaftswahlen in der Türkei der Widerstand Erdogans fallen dürfte. Zweites Standbein der kooperativen Sicherheit ist die verstärkte Zusammenarbeit mit der EU. Letztendlich erhebt die NATO den (hohen) Anspruch, führende Organisation bei der Bewältigung der sicherheitspolitischen Folgen des Klimawandels zu sein.

Von der Darstellung der neuen NATO- Strategie ging der Redner zu Eindrücken des Standes der Herleitung der deutschen Nationalen Sicherheitsstrategie über. Auch wenn das Dokument noch nicht über eine Sachstandsdarstellung und Ideensammlung hinausgekommen ist, zeichnen sich Parallelen zur NATO-Strategie ab. Lange und kostspielige Konfrontation mit Russland, ambivalente Rolle Chinas und die Gefahr der Erosion der Wirtschaft führen zu der Erkenntnis, dass Sicherheitspolitik umfassend zu denken ist. Die Ableitung, dass die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr auf Dauer wieder hergestellt werden muss, ist dabei nur ein, wenn auch wesentlicher, Aspekt. Auch Innere Sicherheit, Sicherheit in der Informationstechnik und der Katastrophen- und Gesundheitsschutz gehören dazu. Der Redner beklagte an dieser Stelle, dass die Federführung beim Auswärtigen Amt angesiedelt ist. Sicherheitspolitik sollte aber im Kanzleramt gebündelt und koordiniert werden. Strategisches Denken muss neu erlernt werden.

Aktuell wird Strategie deutlich von Tagespolitik überschattet. Das ist verständlich, aber wenig hilfreich. Es wird langfristig sehr viel Geld in die Hand genommen werden müssen, um den Herausforderungen zu begegnen. Diese Notwendigkeit muss der Gesellschaft verständlich gemacht werden. Eine (merkelsche) Politik des Regierens nach Stimmungslage der Bevölkerung ist wenig hilfreich – so das Fazit von Professor Staack. Es steht viel mehr Arbeit an, als dass sie eine Bundesregierung in nur einer Legislaturperiode bewältigen könnte.

An der anschließenden Diskussion beteiligten sich eine große Zahl der Zuhörer – ein eindeutiges Zeichen dafür, dass der Referent den „Nerv getroffen“ hatte. Ein Schwerpunkt war die Frage, ob die angekündigte Zeitenwende mit all ihren Konsequenzen, denn schon von allen verstanden worden wäre. Eindeutig auch die Antwort: Zeitenwende ohne Verringerung des Wohlstandsniveaus ist schwer vorstellbar.

Ein zweiter Schwerpunkt der Fragerunde richtete sich an die Einschätzung des Referenten zum Russland-Ukraine-Konflikt. Dieser würde sich wohl leider verstetigen, da Russland die Gelegenheit für eine für beide Seiten annehmbare Einstellung der Kampfhandlungen haben verstreichen lassen. Staack scheute sich auch nicht, das Verhalten der NATO im Umgang mit Georgien und der Ukraine im Jahr 2008, das Festhalten Deutschlands an Nordstream 2 und den Verkauf der deutschen Erdgasspeicher als fehlerhaft zu bezeichnen. Er betonte allerdings auch, dass Putin erst in der jüngsten Vergangenheit alle seine Berechenbarkeit eingebüßt hätte.

Mit dem positiven Ausblick, dass Demokratien in ihrer Entscheidungsfindung zwar langsam, aber in der Durchsetzung ihrer Entschlüsse dann doch durchhaltefähig sind, endete eine sehr kurzweilig erscheinende zweieinhalbstündige Veranstaltung.

 

Harald Mauritz

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