Sektion Delmenhorst
Wenn Wasser zum Brandbeschleuniger wird
Wasser als Sicherheitsfaktor, Machtpotential und Waffe in globalen Krisen
Referent: Jörg Barandat
Jörg Barandat (Jg. 1959) war bis Ende 2019 Oberstleutnant i.G. und Dozent unter anderem für „Sicherheitspolitik und Strategielehre“ sowie „Globale Trends und strategisches Denken“ an der Führungsakademie der Bundeswehr, Hamburg. Davor war er unter anderem militärischer Berater im Auswärtigen Amt; Dezernent im Kernstab Operation Headquarters (OHQ) für EU-Militäreinsätze beim Einsatzführungskommando, Potsdam; Referent für Militärpolitik im Bundesministerium der Verteidigung sowie Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg.
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Eigenbericht zum Vortrag der Sektion am 15.11.2023
„Wenn Wasser zum Brandbeschleuniger wird: Wasser als Sicherheitsfaktor, Machtpotenzial und Waffe in globalen Krisen“
Nach langer Zeit haben wieder einmal mehr als 50 Personen einem Vortrag folgen wollen. Es lag sicher nicht am schlechten Wetter, oder dass man sich nicht für ein Fernsehprogramm entscheiden wollte. Die Zugkraft ging einzig vom Vortragenden aus.
Oberstleutnant a.D. Jörg Barandat hatte bereits im Oktober 2022 zu Wasser, Energie und Klima als Strategische Faktoren für die Analyse von Sicherheitsfragen vorgetragen. Allein der Bereich `Wasser` war derart komplex, dass die Sektion auf Wunsch der Zuhörer beschloss, Barandat zur Vertiefung des Themas erneut einzuladen. Eine Lerngruppenanalyse zu Beginn des Vortrags ergab, dass ca. ein Viertel der Anwesenden den ersten Vortrag verfolgt hatte.
Um den Anschluss herzustellen, entschloss sich Barandat, seine Ausführungen mit einem kurzen Rückblick zu beginnen. Dabei gelang es ihm die Zuhörer in Staunen zu versetzen. So „enthalte“ eine Orange aus Israel 40l, 1kg Weizen 1.000l und ein Mittelklasse-Pkw gar 20.000l Wasser. Selbst die deutschen „Wassersparer“ benötigen 120l Wasser am Tag. Was an sich schon eine beeindruckende Zahl ist, wird aber noch übertroffen von dem “virtuellen“, gebundenen Wasserverbrauch, welcher bei 4200l täglich liegt.
Barandat bedauert, dass dies kaum zur Kenntnis genommen, oder gar ausgewertet würde. Wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte man nie in einem so sehr von Trockenheit bedrohten Bundesland wie Brandenburg die GIGA-Factory von TESLA genehmigen dürfen. Der Vortragende beschrieb die Negierung des Nexus aus Wasser, Energie und Klima am Beispiel der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, die er für einen Irrweg hält.
Wiederholt bemängelte der Redner ein Defizit an strategischem Denken bei den Eliten. Als Kriterien für derartiges Denken nennt er Weltoffenheit, Vorausschau, Interdisziplinarität, das Erkennen von Chancen unter Berücksichtigung der Risiken, die Berücksichtigung von Zielkonflikten und das Denken „vom Ende her“. Als wichtigstes Kriterium bei Entscheidungen fordert er Gerechtigkeit und Empathie. Gebraucht würde eine flexible, auf praktischer Zusammenarbeit und Solidarität basierende Politik. Oberstes Ziel müsse die Erzielung von Kooperationsgewinnen sein und kein „Spiel“, bei wie welchen die Gewinne der Gewinner und die Verluste der Verlierer die Summe "Null" ergeben.
Die vielfältige Funktion von Wasser beschrieb der Redner eindrucksvoll anhand der Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms. Dieses 1951 erbaute Werk diente neben der Versorgung der Landwirtschaft im Umfeld auch der Wasserversorgung der Krim. Nachdem die Ukraine die Wasserversorgung der Krim unterbrochen hatte, sah Russland darin keinen praktischen Nutzen mehr. Die Folgen der Zerstörung betrafen beide Flussufer, wobei die Schäden auf der von Russland kontrollierten Seite geringer ausfielen. Land- und Fischwirtschaft wie auch die Industrie, welcher der erzeugte Strom fehlt, würden für viele Jahre mit den Auswirkungen zu kämpfen haben.
Als weiteres aktuelles Beispiel beschrieb Barandat die aktuelle Situation in Palästina. Der Überfall der Hamas-Terroristen auf Israel führte u.a. zur Einstellung der Wasserkooperation Israels mit den arabischen Nachbarstaaten und zur drastischen Reduzierung der Versorgung des Gaza-Streifen. Noch vor einem Jahr beschrieb er den Vertrag als Win-Win für alle Seiten. Die auf Konfrontation ausgerichtete Politik der Hamas und des Iran sieht er als Verursacher dieser Situation. Deren Ziel ist es, eine Kooperation Israel mit seinen Nachbarn unter allen Umständen zu verhindern. Fehlendes Wasser feuert den Konflikt weiter an, Wasserangebot kann zu Kooperation führen.
Abschließend stellt Barandat fest, dass Wasser sowohl Instrument als auch Opfer in Auseinandersetzungen zwischen den Völkern ist. Das hat auch China erkannt. Es betrachtet Wasser als wesentliches Element seiner Geopolitik. Das Land ist aufgrund seiner geografischen Lage im Norden von Wasserknappheit bedroht. Die großen Flüsse des tibetanischen Hochlands fließen in Richtung Süden ab und stehen den bedürftigen Regionen so nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung. China betreibt plant bzw. betreibt deshalb riesige Infrastrukturprojekte, um seien südlichen Nachbarn das Wasser abzugraben. Ein weiterer Konfliktherd beim weltweiten Kampf um Wasser, Energie und Sicherheit!
Nach einer doch im Grundton pessimistischen Lagedarstellung forderte der Vortragende von den Eliten der Welt vier Handlungsstränge: Strategien entwickeln, zur Debattenkultur zurückkehren, in Bildung investieren und Persönlichkeiten herausbilden.
Fazit: Zweieinhalb Stunden Geopolitik auf höchstem Niveau, trotzdem einprägsam für die Zuhörer.
Harald Mauritz