Sektion Elbe-Weser

Sektion Elbe-Weser

Dienstag, 17.04.2018 - 19:00

Nordkorea. Der sicherheitspolitische Brennpunkt im pazifischen Raum?

Vortrag und Diskussion
Referent: Univ.-Prof. Dr. phil. habil. Michael Staack , Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr, Hamburg

Michael Staack, geboren 1959, studierte Politikwissenschaft, Neuere Geschichte und Öffentliches Recht in Hamburg, Bonn und Berlin; Promotion 1987 an der Freien Universität Berlin. 1998-2001 Gründungsdirektor des Instituts für Deutschlandstudien an der European Humanities University in Minsk (Belarus), 2001-2006 Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München, seit 2006 Professor für Theorie und Empirie der Internationalen Beziehungen an der Helmut Schmidt Universität, Hamburg.

2010 Prodekan, 2011-2012 Dekan der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Forschungsaufenthalte u.a. an der Georgetown University und der Brookings Institution in Washington, D.C., und Gastprofessuren an der Beijing University, der China Foreign Affairs University und der Beijing Foreign Studies University.

2014-2017 Mitglied der Hochrangigen Beratergruppe der Außenminister Deutschlands und Südkoreas zu den außenpolitischen Aspekten der Wiedervereinigung Koreas. Seit 2017 Leiter der Independent Commission on Cooperation and Confidence Building in the Baltic Sea Region.

Mitglied der Wissenschaftlichen Beiräte des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (2008-2016) und des Instituts für Theologie und Frieden (seit 2009). Seit 2006 Präses des Wissenschaftlichen Forums für Internationale Sicherheit an der Führungsakademie der Bun-deswehr; 2016-2018 Vorsitzender des Beirats der Clausewitz-Gesellschaft.

Arbeitsschwerpunkte: Deutsche Außenpolitik, Kooperation und Konflikt in Ostasien, Europäische Si-cherheit, Westafrika.

Organisator: Herr Oberstleutnant a.D. Werner Hinrichs , Sektionsleiter Elbe-Weser werner-hinrichs@web.de
Jütlandstraße 30, 27432 Bremervörde  04761 / 70121

Prof. Dr. Staack (li.) mit Sektionsleiter Werner Hinrichs - Foto: GSP

Am 17. April 2018 referierte der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Michael Staack von der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg über die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel. Trotz Konkurrenz zum Fußball-Pokalhalbfinale und schönsten Grillwetters war die Veranstaltung mit ca. vierzig Zuhörern gut besucht. Am 27. April wollen der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-Un und der südkoreanische Präsident Moon zu einem Gipfel zusammen kommen. Der Vortrag bot hierzu Gelegenheit, sich aus Sicht eines Experten über die sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen zu orientieren.

„Wir erleben die gefährlichste Situation seit Gorbatschow Generalsekretär wurde“ leitete Staack seinen Vortrag ein, aber „in Korea könnte es zu einer positiven Entwicklung kommen“, so die zusammenfassende Analyse des Politikwissenschaftlers. Auf der koreanischen Halbinsel treffen die Interessensphäre dreier Großmächte aufeinander, nämlich die der USA, Chinas und Russlands. Die Wortgefechte zwischen Trump und Kim repräsentieren im Kern einen Streit zwischen den Vereinigten Staaten und der Demokratischen Volksrepublik Korea, der in Wirklichkeit einen Hegemonialkonflikt zwischen den USA und China mit globalem Risiko darstellt. Dazu gesellt sich auch noch Russland, das in dieser Region eine Bühne sieht, sich als unverzichtbarer Akteur in Nordostasien und darüber hinaus weltweit zu produzieren. Die Koreaner drücken ihre Rolle in diesem Stück lakonisch mit einem maritimen Bild aus: „Wir sind die Sardelle zwischen den Walen“, wobei einer der Meeressäuger, um bei diesem Bild zu bleiben, ein eher artfremdes Verhalten zeigt. „Trump betreibt eine unkonventionelle Politik“, freundlicher könne er es nicht ausdrücken, meinte Prof. Staack. Deal making statt Politik, Missachtung politischer Etikette und eine Aversion gegenüber vertrauensbildenden Maßnahmen durch das Eingehen von Kompromissen kennzeichnen den Regierungsstil des US-Präsidenten.

Nach Ansicht Staacks wird sich derjenige durchsetzen, der diesen Konflikt am besten managt. Hierzu lieferte der Referent eine Analyse der Interessen aller Hauptbeteiligten, die sich damit am besten zusammenfassen lässt, dass im Grunde alle an der bestehenden Ordnung auf der koreanischen Halbinsel festhalten wollen, und das am besten unter Abschaffung des nordkoreanischen Nuklearpotentials. Ein Risiko stellen dabei die nationalen Befindlichkeiten gerade auf Seiten der USA und Russlands dar, denen es um Wiederherstellung von Glaubwürdigkeit und Respekt zu gehen scheint, während China handfeste handelspolitische Strategien verfolgt. Trotz aller Kritik an dem Regime in Peking meint Staack: „China agiert sehr gut, auch im Handelskrieg!“

Aber was wissen wir über Nord-Korea? Nicht sehr viel. Was den Alltag angeht, stammen die meisten Erkenntnisse aus der Befragung von Flüchtlingen. Fakt ist, dass sich das Land nach dem Korea-Krieg noch immer im Kriegszustand mit den USA befindet, es gibt also noch immer keine international anerkannte Friedensregelung. Auch wenn Nord-Korea als kommunistisch gilt, wird es von einer Familiendynastie regiert, die eine stalinistisch geprägte Diktatur, deren offizielle Ideologie sich Chuch‘e („Selbständigkeit“, „Autonomie“) nennt, ausübt. Die Führungsschicht Nordkoreas beschränkt sich auf ca. 300 Personen, einen Parteitag hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben. Nord-Korea ist abhängig von China und versucht daher mittelfristig aus seiner selbst gewählten Isolation herauszukommen, indem es nach Kontakten beispielsweise zur EU strebt. Dazu bedarf es aber einer Handlungsfähigkeit, deren Basis die Nuklearwaffen Nord-Koreas bilden. Dabei handele es sich um 620 einzeln gefertigte Raketen, eine Fähigkeit zur Serienproduktion bestehe nicht und sei auch nicht nötig. Allein das Drohpotential reiche Kim aus, um sich ernst genommen zu fühlen und auf Augenhöhe mit seinen politischen Kontrahenten verhandeln zu können.

Prof. Staack erwartet, dass die beiden koreanischen Regierungschefs vor der Begegnung zwischen Kim und Trump bereits Pflöcke einschlagen werden, innerhalb derer sich alles nachfolgende abspielen wird. Es werde wahrscheinlich zu einer konkreten Friedensagenda kommen, einschließlich einer Stellungnahme zur Denuklearisierung. Spannend werde dann der nächste Gipfel zwischen Nord-Korea und den USA. Aus der Kuba-Krise könnten wir lernen, dass in den USA zu Zeiten höchster Spannung der Präsident die Fäden in der Hand hält, und das Treffen zwischen Gorbatschow und Reagan 1986 habe gezeigt, dass Supermächte, wenn sie unter vier Augen miteinander reden, erstaunliches zustande bringen, schlug der Politologe den großen weltgeschichtlichen Bogen. Aber: wenn Trump auf Kim trifft, ist der Amerikaner auf sich alleine gestellt, wogegen man von Kim wohl erwarten darf, dass er sehr gut vorbereitet sein wird.

Stellt sich die Frage, was Deutschland zu einer Lösung beitragen kann. Klar ist, dass Deutschland hier nicht die erste Geige spielt, aber es sehr wohl diplomatische Möglichkeiten, um das zu fördern, woran es nach Meinung Staacks am meisten mangelt: Vertrauen und Kommunikation. Deutschland müsse die konstruktiven Kräfte in den USA, Nordkorea und Russland den Rücken stärken. „Es gibt keine militärische Option“ zitiert Staack den amerikanischen Verteidigungsminister. Wandel sei erforderlich, sowohl sicherheitspolitisch als auch in Fragen der Menschenrechte. Die Frage der Wiedervereinigung Koreas ließen die meisten Beteiligten dabei offen, so dass auch andere Möglichkeiten bestünden zu einem internationalen Konsens zu kommen, beispielsweise in Form einer Arte Konföderation zwischen Nord- und Südkorea.


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