Sektion Wilhelmshaven/Friesland

Sektion Wilhelmshaven/Friesland

Mittwoch, 20.03.2024 - 19:00

Die sicherheitspolitische Bedeutung der Arktis

Vortrag und Diskussion

Die Arktis rückt einerseits durch den Rohstoffhunger der Welt und andererseits aufgrund zunehmend möglicher Schifffahrtsrouten, die durch die rapide Erwärmung der Arktis entstehen, zunehmend ins sicherheitspolitische Blickfeld. Die durch Russland, dem geografisch bei Weitem größten Arktisanrainer, mit dem verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verursachte Verschärfung des politischen Konflikts mit allen anderen Arktisanrainern lässt die Spannungen steigen. Zudem ist Russland dabei, die Arktis immer mehr für sich zu vereinnahmen und investiert stärker in seine militärische Infrastruktur und in die Gewinnung von Bodenschätzen in der Arktis (u. a. „größtes Ölprojekt der Welt“). Laut Schätzungen des „United States Geological Survey“ (USGS) liegen etwa 13 Prozent der weltweiten Erdöl- und ca. 30 Prozent der weltweiten Erdgasreserven in arktischen Gebieten – etwa 85 Prozent davon allerdings in Schelfgebieten. Zudem befinden sich in der Arktisregion bedeutende Vorkommen an Phosphat, Bauxit, Diamanten, Eisenerz und Gold sowie kleinere Vorkommen von Silber, Kupfer und Zink. Allerdings ist die Ressourcengewinnung technisch äußerst schwierig – und zudem häufig völkerrechtlich streitig.

Die Grenzen von Küstenmeer und Ausschließlicher Wirtschaftszone der Arktisanrainer sind weitgehend unumstritten; dasselbe gilt zunächst für den Festlandsockel, den ein Küstenstaat für sich mit bis zu 200 Seemeilen Breite proklamieren darf. Ist der Festlandsockel jedoch geologisch breiter, verläuft die maximale Ausdehnung dann entweder in 350 Seemeilen Entfernung von der Basislinie oder 100 Seemeilen seewärts der 2500-Meter-Wassertiefenlinie. Vor diesem Hintergrund beansprucht Russland mit geologischen Argumenten – der Lomonossow-Rücken sei eine Fortsetzung des russischen Kontinentalschelfs – eine enorme Fläche des Meeresbodens unter dem Nordpolarmeer für sich. Diese Auffassung kollidiert vor allem mit Gebietsansprüchen Kanadas und Dänemarks.

Die fortschreitende Eisfreiheit der Nordostpassage – der Seeweg, der entlang der russischen Küste Norwegische See und Pazifik verbindet – spielt für die Schifffahrt eine zunehmende Rolle. Im Rückgang des Meereises sieht Russland erhebliche wirtschaftliche Vorteile, empfindet die Eisschmelze indes subjektiv auch als Verlust an Sicherheit. Moskau baut daher seine militärische Präsenz und Fähigkeiten in der strategisch wichtigen Arktis aus und stationiert dort modernste Waffen wie z. B. Hyperschallflugkörper.

Auch China hat hohes Interesse an der rohstoffreichen Region und der Nordostpassage, die Peking als „polare Seidenstraße“ mit um Tausende Kilometer kürzerem Seeweg nach Europa nutzen möchte. Die Volksrepublik hat bereits Milliarden Dollar in Infrastruktur und Forschungsprojekte in der Region investiert. Bis 2025 will China die weltweit größte Eisbrecherflotte bauen.

Damit steht die Arktis im Mittelpunkt eines geopolitischen Ringens bedeutender Mächte. Für die NATO geht es im Wesentlichen um zwei Fragen: Wie lässt sich verhindern, dass Russland das rohstoffreiche Gebiet entgegen den internationalen Regeln zu einem riesigen Teil allein für sich beansprucht? Und: Wie lassen sich Einsatzbereitschaft und Abschreckung der Allianz in der Arktis erhöhen, um die militärische Bedrohung für das Bündnisgebiet zu minimieren?

Der Vortrag wird sich der Erwärmung des Nordpolarmeeres (viermal schneller als der Rest des Planeten) und den daraus resultierenden neuen Begehrlichkeiten, den tauenden Permafrostböden im Norden Russlands, Schifffahrtsrouten und Rohstoffquellen, dem Verhältnis der fünf Arktisanrainer untereinander, Meereszonen und völkerrechtlichem Status bestimmter Landmassen, der Rolle des Arktischen Rates, der Rolle Chinas als selbst erklärtem arktisnahem Land, dem „Bastionskonzept“ Russlands und dessen Bau von Über- und Unterwasserortungsanlagen, wirtschaftlichen Ansiedlungen und militärischen Stationierungen, militärstrategischen Überlegungen von USA, Kanada und NATO einerseits und Russland andererseits widmen. Letztlich soll auch erörtert werden, welche Interessen Deutschland an der Arktis hat oder haben sollte und welche Konsequenzen deutsche Sicherheitspolitik angesichts der Entwicklung in der Arktis zieht oder ziehen sollte.


Referent: Dr. Michael Paul , „Senior Fellow“ in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin

Zum Referenten: Dr. phil. Michael Paul, geboren 1959 in Nördlingen, ist Politikwissenschaftler. Nach seiner akademischen Ausbildung arbeitete er von 1986 bis 1990 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Ebenhausen (Landkreis München). Währenddessen verbrachte er in 1988 ca. ein Jahr als „Adjunct Research Fellow“ am damaligen „Center for Science and International Affairs“ an der Harvard University, Massachusetts, USA. Von 1990 bis1994 arbeitete Dr. Paul als Fraktionsgeschäftsführer im Bayerischen Landtag. Das Jahr 1995 führte ihn zurück zur SWP nach Ebenhausen, bei der er – seit 1998 hat die SWP ihren Sitz in Berlin – bis 2007 als Leiter von deren Forschungssekretariat fungierte. Seit 1995 ist Dr. Paul zudem Projektleiter Streitkräftedialog (1993 initiierter Dialog, der auf Einladung des Generalinspekteurs der Bundeswehr hochrangige militärische Führer aus Russland – bis 2014 – und der Ukraine mit der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik und der Stellung von Streitkräften in einer demokratischen Gesellschaft vertraut machen will; der Dialog soll einen kritischen Austausch über aktuelle außen- und sicherheitspolitische Themen ermöglichen). Im Jahr 2007 wurde Dr. Paul zum „Senior Fellow“ in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik bei der SWP; diese Stellung hat er bis heute inne.

Dr. Paul ist Mitglied des Arktisdialogs des Alfred-Wegener-Instituts, Leiter des Gesprächskreises Maritime Sicherheit der SWP und war von 2018 bis 2019 Mitglied des Expertenteams Maritime Sicherheit im Themenzyklus "Meere und Ozeane" des Runden Tisches der Bundesregierung. Des Weiteren ist er “Subject Matter Expert” für das “Centre of Excellence Confined and Shallow Waters” (COE CSW), eine NATO-akkreditierte Internationale Militärische Organisation bei der Deutschen Marine in Kiel, und „Subject Matter Expert“ beim „Geneva Centre for Security Policy“ in Genf.

Dr. Paul ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen, darunter „Kriegsgefahr im Pazifik? Die maritime Bedeutung der sino-amerikanischen Rivalität“ (2017) und „Der Kampf um den Nordpol. Die Arktis, der Klimawandel und die Geopolitik der Großmächte“ (2022). Weitere Publikationen von Dr. Paul finden Sie auf https://www.swp-berlin.org/wissenschaftler-in/michael-paul#publications.

Ort: Gorch-Fock-Haus - „Johann Kinau Saal“ - Victoriastr. 15 , 26382 Wilhelmshaven
Organisator: Herr Kapitän zur See a.D. Berend Burwitz , Sektionsleiter Wilhelmshaven/Friesland, Berend.Burwitz@gsp-sipo.de
0171 4727 146


Sehr geehrte Damen und Herren, verehrte Mitglieder und Freunde der Sektion,

hier finden Sie einen Artikel der NWZ vom 25. März 2024 zu unserer Veranstaltung.

Mit freundlichem Gruß

Berend Burwitz
Sektionsleiter

 


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