Sektion Lippstadt

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Dienstag, 24.10.2023 - 19:30

Wieviel Führung verlangt Verantwortung - Deutschlands ungeklärte sicherheitspolitische Rolle

In diesen Tagen steht selbstverständlich jeder sicherheitspolitische Vortrag vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. War dieses Ereignis vorherzusehen? Dr. Bartels ist sich da nicht so sicher. „In der Politik fährt man im Grunde immer nur auf Sicht“ so der GSP-Präsident. Niemand habe den Fall der Mauer, den 11. September oder den Brexit vorhergesehen – noch nicht einmal am Abend unmittelbar vor dem Ereignis. Ein Beispiel: wenn China sich vornehme, bis zum Jahr 2049 die globale Vormachtstellung erreicht zu haben, dann handele es sich dabei zunächst um einen wohlklingenden Plan. „Wir im Westen halten viel zu oft einen Plan für die Wirklichkeit“ erinnerte Dr. Bartels. Auf dem Weg zu diesem Ziel stünden China enorme Herausforderungen wie immens steigende Rentenzahlungen, disruptive Ereignisse und nicht zuletzt der Widerstand im Westen entgegen. Umso mehr sei es nötig auch auf das vorbereitet zu sein, was im Moment noch als unwahrscheinlich gelte. Gerade für Deutschland, viertgrößte Volkswirtschaft der Welt und größter EU-Staat, verlange die Weitsicht ein stärkeres Engagement in der Sicherheitspolitik. Dr. Bartels mahnt einen realistischeren Blick auf die Dinge, inkl. des Zustandes der Bundeswehr und eine effizientere Umsetzung der Vorhaben an. Wichtig sei dabei der Konsens innerhalb der Gesellschaft zum Bewahren und Verteidigen einer wehrhaften Demokratie. Die de facto Führungsrolle erkenne man daran, dass viele europäische NATO-Staaten eine engere bilaterale Kooperation mit Deutschland suchten. Das Deutsch-Niederländische Korps diene dabei vielen ausländischen Militärs als Vorbild. Perspektivisch könne er sich daher sehr gut die weitere europäische Integration der militärischen Fähigkeiten vorstellen, schließlich habe die EU mehr Soldaten als die USA oder Russland. Man dürfe sich bei diesem Prozess jedoch nicht auf eine systemische Selbstorganisation verlassen. Es bedarf eben Initiative – oder: Führung.
Vortrag und Diskussion
Referent: Dr. Hans-Peter Bartels , Präsident der GSP, ehem. Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages
Ort: Vortragssaal der VHS - Barthstr 2 , 59557 Lippstadt
Organisator: Frau Mariella Bousabarah , Geschäftsführerin m.bousabarah@gsp-sipo.de
0176 393 282 73

v.l.n.r.: Oberstleutnant d.R. Dr. Olav Freund, Sektionsleiter Lippstadt; Dr. Hans-Peter Bartels, Präsident der GSP; Frau Mariella Bousabarah, Geschäftsführerin GSP-Sektion Lippstadt; Herr Dieter Brand, Stv. Geschäftsführer GSP-Sektion Lippstadt


Auf Einladung der Sektion Lippstadt referierte der Präsident der GSP e.V. Gesellschaft für Sicherheitspolitik Herr Dr Bartels in der Volkshochschule Lippstadt zum Thema „Wieviel Führung verlangt Verantwortung“ – Deutschlands ungeklärte sicherheitspolitische Rolle.

Dr. Bartels erklärte den zahlreichen Zuhörern, dass es im Vorfeld des Ukrainekriegs eine Kette von Angeboten an die russische Föderation gegeben habe, um Russlands Sicherheitsbedürfnis zufrieden zu stellen. Auch nach der Besetzung der Krim gab es noch zahlreiche Versuche der Westmächte, den Konflikt einzufrieren. Danach war die Lage eine andere:  wo militärisch angegriffen wird, muss militärisch geantwortet werden.

Die Bundeswehr sollte im Ernstfall einsatzbereit sein, aber jede Bundeswehrreform war auch eine Sparreform. Die Ausrüstung war auf Auslandseinsätze hin berechnet, dh das Material blieb vor Ort, die Besetzung rotierte. Material in Deutschland zum Üben war kaum vorhanden. Notwendig ist jetzt eine grundlegende und forcierte Strukturreform der Streitkräfte: volle Ausrüstung, volles Personal - weniger Stäbe, mehr Truppe. Um den Verteidigungshaushalt von 2 % zu erreichen, muss der reguläre Betrag von 50 Milliarden inflationsbedingt deutlich erhöht werden. Das Sondervermögen von 100 Milliarden sollte bis 2027 ausgegeben sein.

Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht hielt der Referent für nicht möglich. Das Grundgesetz verbietet eine Verpflichtung zur Zwangsarbeit. Er schlägt dagegen eine Auswahlwehrpflicht nach skandinavischem Muster vor: dh jeder wird erfaßt und gemustert. Wer tauglich ist, wird gefragt, ob er/sie zum Dienst bereit sei. Aus dem Kreis der Willigen wird dann eine Stärke von ca 50 000 zur Ausbildung ausgesucht.

Das Angebot eines freiwilligen sozialen Dienstes sollte, so Dr Bartels, ausgebaut und attraktiver gemacht werden: „Diesen Gedanken finde ich sehr sympathisch“. Derzeit wurde leider der entgegengesetzte Weg eingeschlagen und es wurden die Mittel gekürzt.

Als Fazit betonte Dr Bartels: wichtig sind der Wille und der Konsens innerhalb der Gesellschaft zum Bewahren und Verteidigen unserer wehrhaften Demokratie. Als Vorreiter bedarf es auch der Führungsrolle der Regierenden, die „nicht immer neue Probleme finden sollten, die keiner hat“. Eine Konzentration auf Kernthemen sei der richtige Weg. Im Vergleich zu anderen Staaten hat Deutschland einen relativ stabilen Zustand, wenn man auf die USA oder Großbritannien schaut. Interne Probleme können ein Land lahmlegen. Wir dürfen uns nicht in einem falschen Sicherheitsgefühl wähnen, sondern müssen auf einen Ernstfall als Bürger und Bürgerin dieses Landes vorbereitet sein.

Dr Bartels besuchte am Folgetag auch eines der Lippstädter Gymnasien und referierte vor den Schülern der oberen Jahrgangsstufen. Weitere Vorträge der GSP e.V. zu gesellschaftlich relevanten Themen sind für 2024 in Vorbereitung und werden in der Presse rechtzeitig bekannt gegeben.  Man freut sich über neue Mitglieder,  auch für die junge GSP, ausführliche Informationen sind auf der Homepage abrufbar.

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