Sektion Heidelberg
Sicherheitspolitische Herausforderungen für den Westen
eine Veranstaltung der ASP Heidelberg (im Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen), der RK Heidelberg (im VdRBw e.V.) und der Sektion Heidelberg (Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V.)
Von Oberst d.R. Heinz Neubauer
Am 5.September 2019 referierte der Botschafter der Republik Litauens in Berlin Darius Semaška über die litauische Sicht aus das Thema. Im Heidelberg Center of American Studies, ein Universitätsinstitut im Herzen der Altstadt Heidelbergs, waren drei Dutzend Gäste der gemeinsamen Einladung der ASP Heidelberg (im Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen), der RK Heidelberg (im VdRBw e.V.) und der Sektion Heidelberg (Gesellschaft für Sicherheitspolitik e.V.) gefolgt.
Exzellenz Semaška erläuterte die politische Geographie im Nordosten Europas nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Wiedererrichtung der Freiheit der drei baltischen Staaten. Diese fühlten sich eher dem Norden Europas verbunden; insoweit warnte er vor heute weitverbreiteten Illusionen: „Wir, der Westen, sind vom Wunschdenken überfordert. Wir haben geglaubt, dass die Einbeziehung und Interdependenz letztendlich dazu beitragen werden, Russland in eine liberale Demokratie und in unseren strategischen Partner zu verwandeln.“
Im Sinne der Sicherung der Freiheit Litauens liege der Schwerpunkt der Regierung auf der Energiesicherheit, nachdem der Erdölbezug aus Russland nach kurzer Ankündigung 2007 eingestellt worden sei. Die einzige Raffinerie im Baltikum werde seitdem mit Rohöllieferungen per Schiff (Ostsee) versorgt. Seit 2014 sei man nach Eröffnung des LNG-Terminals in Klaipeda (deutsch: Memel) auch in einer zweiten Energieform unabhängig von Russland. Schließlich werden derzeit zusätzliche Seekabel aus Schweden und Finnland ins Baltikum verlegt, mit dem Ziel, die Stabilität der Stromversorgung vom russischen Netz unabhängig zu machen. Hierbei helfe die Europäische Union finanziell, auch um die notwenidigen Schaltanlagen an der litauisch-polnischen Grenze („Suvalki gap“) zu ertüchtigen.
Als EU- (und NATO)-Mitglied sei Litauen mit seinen westlichen Partnern fest verbunden, die litauische Wirtschaft mache erfreuliche Fortschritte, der Lebensstandard steige seit Jahren. Allerdings könne Litauen sich militärisch nicht selbst verteidigen, auch wenn seit fünf Jahren die Militärausgaben um ca. 25% jährlich (!) gewachsen seinen und dieser Kraftakt auf mittlere Sicht auch weitergehen werde. In Anbetracht der russischen Militäraktivitäten im Oblast Kaliningrad (Bezirk Königsberg) verwende sich Litauen sehr, um die strategisch bedeutsamen Verkehrsverbindungen aus Polen und über die Ostsee zu sichern. Nur so könne die litauische Wirtschaft weiter an der Globalisierung teilhaben und die NATO Verstärkungskräfte wie die VJTF/NRF aus Mitteleuropa in die baltischen Staaten verlegen. Er dankte Deutschland explizit für das Engagement als Rahmennation der litauischen „eFP battle group“.
Die sich anschließende Diskussion mit den Gästen wollte kaum enden. Das Ende der Veranstaltung und der kleine Empfang mit Kurpfälzer Laugenbrezeln wurde ‚versüßt‘ durch aus Vilnius mitgebrachtem „Grafo sakotis“ (Baumkuchen). – Der Botschafter schloß seine Ausführungen mit der Hoffnung: „Wir stehen vor einer ernsthaften Bedrohung, sind aber erst spät zu einer angemessenen Wahrnehmung der Verteidigungsbedürfnisse gelangt. Hoffentlich nicht zu spät…“