Sektion Ostwürttemberg

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Dienstag, 20.11.2018 - 19:00

Russland, der Westen und die neue Weltordnung

Vortrag und Diskussion

Gerhard Ziegelbauer von der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP), Sektion Ostwürttemberg, stellte seinen prominenten Gast, den früheren Staatsminister im Auswärtigen Amt, Gernot Erler, persönlich vor. Sein Bundestagsmandat hat der 74-jährige SPD-Politiker aus Freiburg anlässlich der letzten Bundestagswahl 2017 abgegeben.

2005 war Erler als Staatsminister ins Auswärtige Amt berufen worden und ab 2013 zum Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft. Erler gilt ausgemachter „Russlandversteher“. In seinem Buch: „Weltordnung ohne den Westen“ analysiert er, wie es nach einer Phase der Entspannung dazu kommen konnte, dass wir uns aktuell wieder an die Zeiten des „Kalten Krieges“ erinnert fühlen. In Ellwangen, wo er auf Einladung der GSP referierte, stellte er diese Thematik in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen.

Sichtlich erfreut zeigte sich Hausherr Wolfgang Banek, der Leiter Sprachenzentrums Süd des Bundessprachenamtes, über die große Zahl der Gäste, die den Weg in den Olgasaal der früheren Reinhardt-Kaserne gefunden hat. Gernor Erler begann mit einem unpolitischen, aber trefflichen Zitat von Bundestrainer Jogi Löw: „Bei den Russen weiß man nie so recht, woran man ist!“ Eine Aussage, so Erler, die das Verhältnis des Westens zu der Großmacht im Osten punktgenau umschreibt. Was folgte, war ein klar gegliederter Aufriss zum Thema „Russland, der Westen und die neue Weltordnung“, in fünf Kapiteln.

Gernot Erlers fünf Kapitel

1. Von der Pax Americana (amerikanischer Friede) zur multinationalen Weltordnung: Die USA gingen aus dem Zweiten Weltkrieg als die große Weltmacht hervor. Bis 1989 gab es zwischen Ost und West klare Machtverhältnisse. Nach der Auflösung des Warschauer Paktes füllten die USA das entstandene Vakuum. Als sich die USA unter Barack Obama aus den kriegerischen Konflikten in Afghanistan und dem Irak zurückzogen, wurde das von Russland und China als Ende der westlichen Vorherrschaft angesehen. Die EU hatte man ohnehin nie als ebenbürtigen Gegner betrachtet.

2. Chinas Marsch in den Westen: China ist bestrebt, wirtschaftlich gegenüber dem Westen aufzuholen. Das soll nach russischem Modell erfolgen, unter Führung der kommunistischen Partei. Seit den 90er Jahren ist der wirtschaftliche Aufschwung unübersehbar. Bis 2025 will China die hohen westlichen Standards und bis 2049 den „chinesischen Traum“, Aufstieg zur führenden Welt- und Wirtschaftsmacht, realisieren, unter anderem. mit Projekten wie der „Neuen Seidenstraße“. China reklamiert für sich, eigenständig festzulegen, was „Demokratie“ bedeutet.

3. Russlands neuer Blick nach Asien: Michael Gorbatschow, der die deutsche Wiedervereinigung erst ermöglicht hat, wird in Russland als „Totengräber“ der Sowjetunion gesehen. Ein ähnliches „Ansehen“ genießt Boris Jelzin. Vladimir Putin dagegen ist für die Russen der starke Mann. Russische Sichtweisen sind nicht deckungsgleich mit der westlichen. Hinzu kommt ein Gefühl, nicht auf Augenhöhe mit den USA zu sein. So hat man die Vereinbarung der EU mit der Ukraine als unmittelbaren Zugriff auf russisches Territorium betrachtet, was letztlich zur Krim-Annektion führte. Diese wurde vom Westen als Angriff auf die Weltordnung angesehen. Sanktionen des Westens führten zu russischen Gegensanktionen. Da kommt China ins Spiel, das entstandene Lücken teilweise schließt. China und die Russische Föderation haben ein gemeinsames Ziel: eine multipolare Weltordnung.

4. Die USA und EU als verhinderte Ordnungsmächte: Unter dem neuen amerikanischen Präsidenten Donald Trump hat sich vieles geändert. Trump hält nichts von Multilateralismus, das wird in seiner America First-Politik deutlich. Im Nahen Osten und Syrien fällt Amerika als Vermittler aus, weil man sich einseitig festgelegt hat. Die EU hat eine schwierige Rolle. Sie ist (noch) nicht in der Lage, im Bedarfsfall militärisch zu intervenieren. Zudem befindet sie sich derzeit im Krisenmodus. Einzig der französische Präsident Emmanuel Macron entwickelt derzeit Problemlösungsstrategien.

5. Wege aus der Eskalationsspirale: Derzeit gilt: die Lager unternehmen selbst nichts, reagieren aber auf die „Antworten“ der jeweils anderen Seite. Es gibt hinreichend Anlass, über diese Muskelspiele beunruhigt zu sein. Amerika und Russland blockieren sich in der UNO gegenseitig, zum Leidwesen der Betroffenen. Wege aus der Spirale könnten sein, den Ukrainekonflikt politisch zu lösen, die gegenseitigen (Folge-)Reaktionen einzufrieren, eine Chance zur Abrüstung zu suchen, längerfristige vertrauensbildende Maßnahmen sowie die Stärkung der Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen, aber auch der EU.

Gernot Erler: „Der Egoismus der Starken ist in der aktuellen Situation nicht zu gebrauchen. Ohne eine verbale Partnerschaft lassen sich die vorhandenen Probleme nicht lösen.“

Referent: Staatsminister a.D. Dr. h.c. Gernot Erler , Russland-Beauftragter der Bundesregierung
Ort: Reinhardt-Kaserne, Olga-Saal - Reinhardtstraße 6 (früher: Hohenstaufenstraße 2a) , 73479 Ellwangen (Jagst)
Organisator: Gerhard Ziegelbauer gerhard.blitz@web.de
07961 / 55567

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