4. April 2024 – 75 Jahre NATO. Gemeinsinn und Neuausrichtung ist nötig

4. April 2024 – 75 Jahre NATO. Gemeinsinn und Neuausrichtung ist nötig

Das 75-jährige Bestehen der North Atlantic Treaty Organisation (NATO) wäre ein guter Grund zum Feiern. Doch die sicherheitspolitische Lage in der Welt, besonders die Kriege in der Ukraine und in Gaza, sind kein Grund dafür. Die NATO ist mit Finnland (4. April 2023) und Schweden (7. März 2024) auf 32 Nationen angewachsen. Aktueller Anlass war die „Spezialoperation“ der russischen Föderation am 24. Februar 2022 in die Ukraine. Seit Wladimir Putin am 18. März 2024 wieder zum Präsidenten gewählt wurde, wird der militärische Überfall nun auch Krieg genannt. Der offizielle 75-jährige Geburtstag der Allianz findet vom 9. bis 11. Juli 2024 beim Gipfel-Treffen der Staats- und Regierungschefs am Gründungsort in Washington statt.

Ein Rückblick auf die Entwicklung des Verteidigungsbündnisses

Am 4. März 1947 schlossen Großbritannien und Frankreich ein Beistandsbündnis. Mit dem Vertrag von Dünkirchen sollte dem vorgebeugt werden. Die Idee ging auf den englischen Premierminister Winston Churchill zurück, der schon 1940 eine britisch-französische Union bilden wollte. Großbritannien und Frankreich sagten sich, gegenseitige Hilfe zu. Unabhängig davon wurde auch eine wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit vereinbart. Den Franzosen wollte man deutlich machen, Dünkirchen durfte sich nicht wiederholen. Großbritannien hatte sich ausdrücklich verpflichtet Frankreich bei einem Angriff zu verteidigen. Das war der erste Schritt zu einer sicherheitspolitischen kontinentaleuropäischen Verteidigungsgemeinschaft.

Nach Kriegsende gab es neue politische Schwergewichte. Europas zentrale Rolle war verloren. Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion hatten, in der nun zweigeteilten Welt, die Führung eingenommen. Die USA verringerte ihre konventionellen Streitkräfte. Als einzige Atommacht glaubte sie jeder Aggression begegnen zu können. Die Sowjetunion dehnte ihr Herrschaftsbereich in Europa aus. Deutschland war von den vier Alliierten besetzt und in Besatzungszonen, Berlin in Sektoren geteilt.

Vom Brüsseler Pakt und zur North Atlantic Treaty Organisation

Ab 1947 zeichnete sich immer deutlicher der beginnende Ost-West-Konflikt ab. Die neutralen Beneluxländer, Belgien, Niederlande und Luxemburg, hatten am 17. März 1948 mit Frankreich und Großbritannien den Brüsseler Pakt (Westunion) geschlossen. Der nächste Schritt dieser sicherheitspolitischen Entwicklung war die Gründung der NATO am 4. April 1949 in Washington. Die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, Norwegen, Dänemark, Island, Portugal und Italien waren die Vertragsunterzeichner.

Angesichts zunehmender Bedrohung durch die Sowjetunion schlossen sich Griechenland und die Türkei als 13. und 14. Mitglied 1952 der Allianz an.

Als 15. Mitglied trat die Bundesrepublik Deutschland am 6. Mai 1955 der NATO bei. Die Bundesrepublik hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Soldaten. Erst am 7. Juni 1955 wurde aus dem Amt Blank das Bundesministerium für Verteidigung. Am 12. November 1955 wurden die ersten Soldaten ernannt. Durch die Einstellung von Freiwilligen ab Januar 1956, die Übernahme von etwa 10.000 Angehörigen des Bundesgrenzschutzes zum 1. Juli 1956 und die Einberufung von Wehrpflichtigen ab April 1957, war das Heer in der Lage drei Divisionen und zwei Korpsstäbe der NATO zu unterstellen. 1982 trat Spanien, als 16. Mitglied der Allianz bei.

Die weitere Entwicklung des Bündnisses

Nach Ende des kalten Krieges und der Auflösung der Warschauer Vertragsorganisation, meist Warschauer Pakt genannt, schlossen sich im März 1999 Polen, Tschechien und Ungarn der NATO an. In der nächsten Erweiterungsrunde im März 2004 wurden die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, sowie Bulgarien, Rumänien und die Slowakei aufgenommen. Fünf Jahre später, im April 2009, kamen die beiden Balkanstaaten Albanien und Kroatien dazu. Mit Montenegro im Juni 2017 und Nordmazedonien im März 2020 erweiterte sich die NATO auf 30 Mitglieder. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 stellten Finnland und Schweden Mitgliedsanträge, durch deren Beitritt nunmehr 32 Staaten zur Atlantischen Allianz gehören. Die Mehrheit der NATO-Mitglieder besteht aus EU-Ländern, es sind 23.

Gesucht wird ein neuer Generalsekretär

Trotz Auflösung der Sowjetunion ist die NATO als Verteidigungsbündnis bestehen geblieben. Wird ein Mitgliedstaat angegriffen, sieht Artikel 5 des Vertrages vor, dass dies ein Angriff gegen alle NATO-Mitglieder ist. Dieser Artikel ist Kern des Bündnisses. Seit Gründung gab es nur einen Bündnisfall, nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York.

Generalsekretär ist seit 2014 der ehemalige norwegische Regierungschef Jens Stoltenberg. Bisher waren jeweils drei Briten, Niederländer, Italiener, zwei Belgier und jeweils ein Spanier, ein Däne und ein Deutscher, Manfred Wörner (1988-†1994) höchster NATO-Repräsentant.  

Auf dem Gipfeltreffen in Washington, wird die Zukunft des Bündnisses im Mittelpunkt stehen, dabei sind etliche Fragen zu klären. Erstens ist ein neuer Generalsekretär zu wählen. Zwei Namen stehen im Raum, Mark Rutte, noch niederländischer Ministerpräsident und Klaus Johannis, noch Präsident Rumäniens. Wie ist mit einer möglichen Mitgliedschaft der Ukraine umzugehen? Welche militärischen Anpassungen müssen die Mitglieder für ihre Streitkräfte einleiten?  Welche NATO-Partnerschaften sind zu beenden bzw. neue zu schließen. Wie kann die Südflanke besser geschützt werden oder wie können Handlungs- und Entscheidungsfähigkeiten verbessert werden? Wie können Bedrohungslagen durch Terrorismus und Cyberangriffe entschärft oder klimapolitischen Herausforderungen begegnet werden? Fazit: Das Verteidigungsbündnis steht vor großen Herausforderungen, vielleicht vor den größten seiner bisherigen Geschichte.

Letzte News

Letzte News

  • 12Feb
    Sicherheitspolitische Aussagen in den Wahlprogrammen von AfD und BSW

    Alternative für Deutschland (AfD

    Die Alternative für Deutschland (AfD) hat auf ihrem 16. Bundesparteitag am 11. und 12. Januar in Riesa ihr Programm für die Bundestagswahl in einem Leitantrag formuliert. Im Kapitel „Zeit für Sicherheit“ heißt es, dass die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union (EU), der Verteidigungskommissar und der Europäische Auswärtige Dienst abgelehnt werden.

    Der Charta der Vereinten Nationen (VN) und dem Vertrag von Helsinki, gemeint ist…

  • 11Feb
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet Münchner Sicherheitskonferenz

    Am Freitag, dem 14. Februar, beginnt die 61. Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Es ist die dritte seit Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine. Hinzu kommt, dass in den USA eine neue Regierung unter Präsident Donald Trump im Amt ist und auch die Kommission der Europäischen Union (EU) in neuer Zusammensetzung agiert. Zahlreiche Staats- und Regierungschefs sowie Minister aus aller Welt haben sich angemeldet. Unter ihnen sind US-Vizepräsident James David Vance, EU-Kommissionspräsidentin…

  • 07Feb
    Eine Orientierungshilfe der Bundeszentrale für politische Bildung

    In zwei Wochen, Sonntag, den 23. Februar, findet die vorgezogene Bundestagswahl statt. Plakate und Wahlwerbespots im Fernsehen machen es unübersehbar und allen Wahlberechtigten bewusst. Rund 59,2 Millionen Wahlberechtigte, darunter 2,3 Millionen Jungwählerinnen und Jungwähler, können ihre Erst- und Zweitstimme abgeben. Nach einer Wahlrechtsreform wird der künftige Bundestag aus 630 Abgeordneten bestehen.
    Mit der Erststimme wird ein Wahlkreiskandidat gewählt, mit der Zweitstimme die Liste einer…

  • 05Feb
    Sicherheitspolitische Aussagen in den Wahlprogrammen der Parteien

    CDU und CSU

    Die beiden Parteien CDU und CSU, künftig Union, haben eine Kurz- und eine Langfassung ihres mehr als 80 Seiten umfassenden Programms zur Bundestagswahl veröffentlicht. Ziel ihres künftigen sicherheitspolitischen Handelns ist Frieden in Sicherheit und Freiheit. "Dafür werden wir eine starke Bundeswehr aufbauen und eine allgemeine Wehrpflicht einführen. Die dem Bündnis zugesagten zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) als Mindestziel werden garantiert und die NATO als „unsere“…

  • 01Feb
    Bundespräsident a.D. Horst Köhler am 1. Februar 2025 verstorben

    Als Horst Köhler am 23. Mai 2004 von der Bundesversammlung im ersten Wahlgang mit 51,1 Prozent der Stimmen zum Bundespräsidenten gewählt wurde, war er den meisten Mitbürgern kaum bekannt. Politik war nicht sein Metier, er arbeitete als Beamter im Hintergrund.
    Der Lebensweg von Horst Köhler beginnt am 22. Februar 1943 in Heidenstein (pol. Skierbieszow) im „Generalgouvernement“. Das liegt nördlich der Kreisstadt Samosch (Zamosc) im Distrikt Lublin. Hier wurden im Rahmen der Aktion „Heim ins Reich“…

  • 28Jan
    Sicherheitspolitische Aussagen in den Wahlprogrammen der Parteien

    Der Wahlkampf läuft auf Hochtouren. Plakate und Transparente der Spitzen- und Wahlkreiskandidaten sind überall zu sehen. Öffentliche Auftritte und Haustürbesuche gehören dazu. Will man etwas über die zukünftige Sicherheitspolitik der Parteien erfahren, hilft ein Blick in deren Programme. Diese findet man alle auf der Website der Landeszentrale für Politische Bildung Baden-Württemberg.
     

    SPD  -  Beginnen wir mit der Kanzlerpartei. Auf dem roten Umschlag der SPD steht “MEHR FÜR DICH: BESSER FÜR…

  • 24Jan
    Hoffnung auf Waffenstillstand - doch wer stellt die friedenssichernden Truppen?

    Mit der Amtseinführung von Donald J Trump als 47. Präsident der USA erhält die Diskussion über einen Waffenstillstand im Krieg Rußlands gegen die Ukraine und eine Friedenslösung neue Impulse. Nachdem Trump von dem Wahlversprechen abgerückt ist, innerhalb eines Tages nach Einzug in das Weiße Haus den Waffenstillstand erreichen zu können und hierfür nun ein Zeitfenster von sechs Monaten einräumt, können sich Europa und damit auch Deutschland detailliert Gedanken machen, wie die über 1.000 km lange…

  • 21Jan
    Bundestagswahlen 2002 bis 2021 - 23. Februar 2025: Neuwahlen zum Bundestag

    15. Bundestagswahl am 22. September 2002
    Der Wahlabend ist spannend wie ein Krimi. Die Hochrechnungen gehen hin und her. Die Parteien liegen Kopf an Kopf, schließlich erreichen SPD und Union jeweils 38,5 Prozent der Stimmen. Da die Grünen nur auf 8,6 Prozent kommen, steht der Wahlsieger erst nach Mitternacht fest. Rot-Grün mit Bundeskanzler Gerhard Schröder kann weiter regieren. Herausforderer Schröders ist der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Im Wahlkampf gibt es erstmals zwei…

  • 14Jan
    Bundestagsw. 1976-1998 - 1990 erstmals freie Wahlen im gesamten DEU seit 1932

    8. Bundestagswahl am 3. Oktober 1976
    Zur achten Bundestagswahl tritt der amtierende Bundeskanzler an. Bereits im Juni 1975 hatte die Union den rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Helmut Kohl als ihr neues Zugpferd nominiert. Die CSU hätte lieber Franz Josef Strauß ins Rennen geschickt. Kohl erzielt mit 48,6 Prozent das zweitbeste Unions-Ergebnis seit 1949. Da die SPD 42,6 Prozent und die FDP 7,9 Prozent der Zweitstimmen erhalten, wird das Regierungsbündnis unter Bundeskanzler Helmut…

  • 10Jan
    Erste Aktivitäten der neuen Sektion Rom

    Ein kurzer Bericht des Sektionsleiters aus der Ewigen Stadt:

    Ich freue mich sehr, dass ich in Zusammenarbeit mit dem römischen Büro der Konrad- Adenauer-Stiftung e.V. (KAS) die erste Veranstaltung der GSP in Rom anbieten konnte. Mein besonderer Dank gilt hierbei dem Vortragenden, Dr. Karl-Heinz Kamp und ebenso Dr. Nino Galetti, dem Leiter des Auslandsbüros der KAS in Italien, San Marino und beim Heiligen Stuhl.
    Dr. Kamp trug zum Thema „Wie weiter nach der US-Wahl? - Cosa succederà dopo le…

GESELLSCHAFT FÜR SICHERHEITSPOLITIK E.V.

Vereinsregister-Nr. 5684
beim Amtsgericht Bonn

KONTAKT

Hauptstadtbüro:   
Ulrich-von-Hassell-Haus, Lennéstraße 11, 10785 Berlin
Tel.: +49 (0) 30 20648549
praesident©gsp-sipo.de

Geschäftsstelle Bonn:  
Wenzelgasse 42, 53111 Bonn
Tel.: +49 (0) 228 - 652556
Fax: +49 (0) 228 - 658093
geschaeftsstelle©gsp-sipo.de

GEMEINNÜTZIGKEIT

Die GSP e.V. ist  als gemeinnützig und spendenfähig anerkannt worden.
Finanzamt Bonn-Innenstadt
Steuer-Nr.:205/5764/0498, 17.10.2024

 

©  Gesellschaft für Sicherheitpolitik e.V.