Ein Rückblick auf die Entwicklung des Verteidigungsbündnisses
Am 4. März 1947 schlossen Großbritannien und Frankreich ein Beistandsbündnis. Mit dem Vertrag von Dünkirchen sollte dem vorgebeugt werden. Die Idee ging auf den englischen Premierminister Winston Churchill zurück, der schon 1940 eine britisch-französische Union bilden wollte. Großbritannien und Frankreich sagten sich, gegenseitige Hilfe zu. Unabhängig davon wurde auch eine wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit vereinbart. Den Franzosen wollte man deutlich machen, Dünkirchen durfte sich nicht wiederholen. Großbritannien hatte sich ausdrücklich verpflichtet Frankreich bei einem Angriff zu verteidigen. Das war der erste Schritt zu einer sicherheitspolitischen kontinentaleuropäischen Verteidigungsgemeinschaft.
Nach Kriegsende gab es neue politische Schwergewichte. Europas zentrale Rolle war verloren. Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion hatten, in der nun zweigeteilten Welt, die Führung eingenommen. Die USA verringerte ihre konventionellen Streitkräfte. Als einzige Atommacht glaubte sie jeder Aggression begegnen zu können. Die Sowjetunion dehnte ihr Herrschaftsbereich in Europa aus. Deutschland war von den vier Alliierten besetzt und in Besatzungszonen, Berlin in Sektoren geteilt.
Vom Brüsseler Pakt und zur North Atlantic Treaty Organisation
Ab 1947 zeichnete sich immer deutlicher der beginnende Ost-West-Konflikt ab. Die neutralen Beneluxländer, Belgien, Niederlande und Luxemburg, hatten am 17. März 1948 mit Frankreich und Großbritannien den Brüsseler Pakt (Westunion) geschlossen. Der nächste Schritt dieser sicherheitspolitischen Entwicklung war die Gründung der NATO am 4. April 1949 in Washington. Die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, Norwegen, Dänemark, Island, Portugal und Italien waren die Vertragsunterzeichner.
Angesichts zunehmender Bedrohung durch die Sowjetunion schlossen sich Griechenland und die Türkei als 13. und 14. Mitglied 1952 der Allianz an.
Als 15. Mitglied trat die Bundesrepublik Deutschland am 6. Mai 1955 der NATO bei. Die Bundesrepublik hatte zu diesem Zeitpunkt noch keine Soldaten. Erst am 7. Juni 1955 wurde aus dem Amt Blank das Bundesministerium für Verteidigung. Am 12. November 1955 wurden die ersten Soldaten ernannt. Durch die Einstellung von Freiwilligen ab Januar 1956, die Übernahme von etwa 10.000 Angehörigen des Bundesgrenzschutzes zum 1. Juli 1956 und die Einberufung von Wehrpflichtigen ab April 1957, war das Heer in der Lage drei Divisionen und zwei Korpsstäbe der NATO zu unterstellen. 1982 trat Spanien, als 16. Mitglied der Allianz bei.
Die weitere Entwicklung des Bündnisses
Nach Ende des kalten Krieges und der Auflösung der Warschauer Vertragsorganisation, meist Warschauer Pakt genannt, schlossen sich im März 1999 Polen, Tschechien und Ungarn der NATO an. In der nächsten Erweiterungsrunde im März 2004 wurden die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, sowie Bulgarien, Rumänien und die Slowakei aufgenommen. Fünf Jahre später, im April 2009, kamen die beiden Balkanstaaten Albanien und Kroatien dazu. Mit Montenegro im Juni 2017 und Nordmazedonien im März 2020 erweiterte sich die NATO auf 30 Mitglieder. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar 2022 stellten Finnland und Schweden Mitgliedsanträge, durch deren Beitritt nunmehr 32 Staaten zur Atlantischen Allianz gehören. Die Mehrheit der NATO-Mitglieder besteht aus EU-Ländern, es sind 23.
Gesucht wird ein neuer Generalsekretär
Trotz Auflösung der Sowjetunion ist die NATO als Verteidigungsbündnis bestehen geblieben. Wird ein Mitgliedstaat angegriffen, sieht Artikel 5 des Vertrages vor, dass dies ein Angriff gegen alle NATO-Mitglieder ist. Dieser Artikel ist Kern des Bündnisses. Seit Gründung gab es nur einen Bündnisfall, nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York.
Generalsekretär ist seit 2014 der ehemalige norwegische Regierungschef Jens Stoltenberg. Bisher waren jeweils drei Briten, Niederländer, Italiener, zwei Belgier und jeweils ein Spanier, ein Däne und ein Deutscher, Manfred Wörner (1988-†1994) höchster NATO-Repräsentant.
Auf dem Gipfeltreffen in Washington, wird die Zukunft des Bündnisses im Mittelpunkt stehen, dabei sind etliche Fragen zu klären. Erstens ist ein neuer Generalsekretär zu wählen. Zwei Namen stehen im Raum, Mark Rutte, noch niederländischer Ministerpräsident und Klaus Johannis, noch Präsident Rumäniens. Wie ist mit einer möglichen Mitgliedschaft der Ukraine umzugehen? Welche militärischen Anpassungen müssen die Mitglieder für ihre Streitkräfte einleiten? Welche NATO-Partnerschaften sind zu beenden bzw. neue zu schließen. Wie kann die Südflanke besser geschützt werden oder wie können Handlungs- und Entscheidungsfähigkeiten verbessert werden? Wie können Bedrohungslagen durch Terrorismus und Cyberangriffe entschärft oder klimapolitischen Herausforderungen begegnet werden? Fazit: Das Verteidigungsbündnis steht vor großen Herausforderungen, vielleicht vor den größten seiner bisherigen Geschichte.