Der schwedische Premierminister Ulf Kristersson hatte mit seinem Außenminister Tobias Billström die Beitrittsurkunde seines Landes zur NATO bereits im März in Washington hinterlegt. Billström ist weiterhin unterwegs, die die Abkehr von der faktischen Neutralität Schwedens nach mehr als 200 Jahren zu begründen und den Gewinn für das atlantische Bündnis zu erläutern.
Hierzu hatte die schwedische Botschaft in Berlin gemeinsam mit der HERTIE School zu einer Veranstaltung mit ihm Ende März eingeladen. In ihrer Begrüßung erinnerte die Präsidentin der HERTIE School, Prof. Dr. Cornelia Woll, an die Institutionalisierung der Partnerschaft Schwedens mit der NATO durch Beitritt zum Partnership for Peace-Abkommen bereits im Jahre 1994. In diesem Jahr nun koordiniert Schweden die informellen Kooperationsformate zur Außen- und Sicherheitspolitik der Nordischen und Baltischen Staaten.
Seine Key Note leitete Außenminister Billström mit der Feststellung ein, dass die Ära nach dem Kalten Krieg mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine unwiderruflich beendet ist. Folglich habe sein Land eine eigene Zeitenwende eingeleitet und mit dem historischen Schritt des NATO-Beitritts – „we have come home“ - eine neue Identität der Außen- und Sicherheitspolitik entwickelt. Deutschland dankte er dafür, als einer der ersten Staaten das Ratifizierungsgesetz zum NATO-Beitritt unterzeichnet zu haben. Er begrüße zudem die deutschen Investitionen in die Verteidigung, die auch wichtig für sein Land seien. Schweden teilt die Bürden wie die Risiken mit seinen Partnern in der NATO, wobei er die Einheit, Solidarität und Kohärenz für die Sicherheit seines Landes betonte: „Sweden will be safer in NATO and NATO will be stronger with Sweden“. Überdies unterstützt sein Land den 360-Grad-Ansatz der NATO, die Kooperation des Bündnisses mit der Europäischen Union (EU) und steht hinter den NATO-Missionen in Europa, der MENA-Region (Middle East and North Africa) und ggfls. auch in Asien. Hierzu wird es politische Investments in ein stärkeres Europa wie in bessere transatlantische Beziehungen vornehmen.
Russland hat mit den unakzeptablen Ultimaten an NATO und die USA in 2021 und dem Krieg gegen die Ukraine gezeigt, dass es für Europa eine Sicherheitsbedrohung in vorhersehbarer Zukunft darstellt. In Putins Amtszimmer, so die Auswertung von TV-Aufnahmen, ist ein Wappen Russlands mit den Flaggen von Finnland und Estland zu sehen, was auf seine imperialen Ansprüche hindeutet. Deshalb müssen sich EU und NATO auf eine längerfristige Konfrontation mit dem Kreml vorbereiten. Für Schweden stellt die Freiheit und Souveränität der Ukraine eine Top-Priorität dar, weshalb ein Frieden ohne Berücksichtigung von dessen Interessen nur zu weitere Aggressionen führen wird. Deshalb werde sein Land der Ukraine politische, finanzielle und militärische Unterstützung gewähren, um dessen Sieg sicherzustellen. Wie Deutschland zählt sich auch Schweden zu den bedeutendsten Geberstaaten mit dem Ziel einer langfristigen Unterstützung. Sein Land, so Billström, ist ein Treiber in der EU für harschere Sanktionen, obgleich die bisherigen auch Wirkung entfalten. Deshalb plant Schweden zusammen mit elf Mitgliedstaaten nun Sanktionen gegen Mitglieder der russischen Zivilgesellschaft.
Mit dem Beitritt von Finnland und Schweden ist die Ostsee nunmehr praktisch nur von NATO-Staaten umgeben. Mit seinen militärischen Assets – insbesondere der Marine - wird Schweden gemeinsam mit dem anderen Neuzugang die Fähigkeiten zur Sicherung dieser Region beträchtlich verstärken. Zugleich wird anerkannt, dass die deutsche Entscheidung zur dauerhaften Stationierung einer Kampfbrigade in Litauen ein starkes Signal für die baltischen Staaten bedeutet.
Abschließend betonte er Schwedens Selbstverpflichtung, zukünftig zur Sicherheit weltweit beizutragen – so nimmt er die Aktivitäten Chinas im Indo-Pazifik mit großer Sorge wahr - und sieht sein Land gemeinsam mit Deutschland als unverzichtbare Partner innerhalb der NATO.
Nach Aussage des schwedischen Verteidigungsattachés in Berlin war die Absicht seiner Regierung zum NATO-Beitritt auf große öffentliche Unterstützung gestoßen, so dass die Abstimmung hierüber im Parlament, dem Reichstag, ca. 90 Prozent Ja-Stimmen ergeben hat. Daraufhin gingen rd. 27.000 Bewerbungen für die Heimwehr ein, während diese bisher jährlich etwa 2000 betrugen. Die Gesamtstärke der Streitkräfte nach Wiedereinführung der Wehrpflicht 2017 beträgt rd. 120.000 Soldatinnen und Soldaten, von denen jährlich 8000 im Rahmen der Wehrpflicht (aus einem verfügbaren Dispositiv von 100.000) ausgebildet werden. Hierbei bestehen die zur Landesverteidigung dienenden Heeresverbände zu einem Drittel aus Reservisten.