Gemeinsame Parlamentarische Abende der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) und der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik (DWT) in Berlin haben eine hohe Anziehungskraft auf Vertreter aus Politik und Gesellschaft. So ist es auch am 27. November, als der Vorsitzende der CDU/CSU Fraktion im Deutschen Bundestag Friedrich Merz, der Oppositionsführer und seit dem 31. Januar 2022 Bundesvorsitzender der Christlich Demokratischen Union, zum Thema: „Herausforderungen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa“ ans Rednerpult in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg beim Bund, tritt. Die Einführung in die komplexe Thematik macht Hans-Peter Bartels, Präsident der GSP. Seine Ausführungen sind auf der Homepage der GSP (Aktuelle Berichte, Hintergründe und Informationen) zu finden, so dass hier nicht näher darauf eingegangen wird.
Nach dem Redeeinstieg „Wir leben in einer bedrückenden Zeit“, konnte man ahnen, dass Friedrich Merz sich mit ihr auseinandersetzen würde; und so kam es auch. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine hat sich die Sicherheitsstruktur Europas grundlegend geändert. „Die Ukraine kämpft für uns“. Sie tut das für die regelbasierte Ordnung in Europa. Es muss alles getan werden, dass der Krieg nicht zu einer Blaupause in Europa wird. Grenzen dürfen nicht gewaltsam verändert werden. Bei der militärischen Unterstützung liefert Deutschland Waffensysteme und Munition zu spät und zu wenig, meint Merz. Die Absichten des Kremls hätten früher erkannt werden müssen. Anzeichen dafür hat es gegeben: Einmarsch in Georgien 2008, die völkerrechtwidrige Annexion der Krim und die Destabilisierung des Donbass 2014. Es wurde zu lange weggeschaut, schöngeredet und gehofft, es wird schon irgendwie gut gehen. Fazit aus dem gesagten „Deutschland ist bisher nicht strategiefähig“. Schlussfolgerung daraus, der Aufbau einer strategischen Kultur in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft ist dringend notwendig.
Anschließend kommt der Redner auf den Angriffstag, dem 24. Februar 2022 bzw. die drei Tage später vom Bundeskanzler gehaltene „Zeitenwende-Rede“ zu sprechen. Er fragt, wo stehen wir heute? Seine Feststellung: „Die Zeitenwende ist in unserem Land noch nicht wirklich angekommen“. Zusätzlich Krisen und Kriege sind hinzugekommen. Priorisierung und Fokussierung der Regierung wären wichtig gewesen, Sicherheit und Verteidigung ernster zu nehmen. „Wir müssen im Fall der Fälle militärisch bestehen können“.
Die Absicht einen Veteranentag einzuführen hält er für sinnvoll. Material und Ausrüstung für die Truppe müssen erstklassig und Vollausstattung eine Selbstverständlichkeit sein. Das bedeutet, dass dafür Geld erforderlich ist. „Wir stehen für eine Anhebung des Verteidigungshaushaltes auf mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2026, und zwar zusätzlich zum Sondervermögen“. Den Preis für Sicherheit und Freiheit ist der Bevölkerung zu erklären.
Nach diesem innenpolitischen Teil richtete Merz den Blick über den Atlantik. In einem Jahr ist die Präsidentenwahl in den USA schon vorbei und es ist ungewiss, wohin sich die USA politisch wenden werden. Der europäische Pfeiler in der NATO ist schwach. Es muss europäischer gedacht und mehr gemeinsame Projekte (PESCO) verwirklicht werden.
Merz betrachtet die Nationale Sicherheitsstrategie als eine gute Lösung, sie ist aber nicht zu Ende gedachte. Er fordert einen Nationalen Sicherheitsrat, angesiedelt im Bundeskanzleramt. Die gesamte Gesellschaft muss wehrhafter und resilienter werden. Die Verteidigungsindustrie muss langfristig angelegt sein. Der Faktor Zeit ist ein wichtiges Element, Prozesse weiter gestrafft Bürokratie muss abgebaut werden. Nationale Sicherheitsinteressen und Schlüsseltechnologien sing zu definieren. Ausschreibungsverfahren dauern zu lange. Zivilklauseln sind aus der Zeit gefallen und müssen abgeschafft werden. Der Forschungsstandort Deutschland ist zu stärken. An Forschung und Entwicklung darf nicht gespart werden. Rüstungsexportgenehmigungen müssen schneller behandelt, die Unterstützung von Partnerländern auch genehmigt werden. Aus den jetzigen Krisen und Kriegen sind die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, dabei darf das Gefechtsfeld der Zukunft aber nicht aus den Augen verloren werden. Deutschland und Europa brauchen Führung, die Europäer schauen hierbei auf Deutschland. Die ausgerufene Zeitenwende sollte eine wirkliche Wende im Denken, Handeln und in der Ausrichtung der Außen- und Sicherheitspolitik bewirken.
Der zweite Parlamentarische Abend dieses Jahres endete offiziell nach einer Fragerunde, moderiert von Wolfgang Döring, Vorsitzender der DWT, Dank durch Claus Günther, Präsident der DWT an die Organisatoren. Danach begannen intensive Gespräche, sowohl über die Einführung in die Thematik durch Hans-Peter Bartels als auch über die Ausführungen des Oppositionsführers.