Beim Kongress in Leipzig 2019 hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit einem Grußwort die Teilnehmer auf die schulische und außerschulische Bedeutung der politischen Bildung hingewiesen. Im Kongress Zentrum Weimarhalle spricht Nancy Faeser, Bundesministerium des Inneren und für Heimat, zum Auftakt zu den rund 1000 Teilnehmern. Die Erwartungshaltung ist groß, denn geplante Haushaltskürzungen bei der bpb haben im Vorfeld bei vielen Bildungsträgern für Unruhe gesorgt. Sie verkündet nun, dass die Haushaltskürzungen zurückgenommen werden und für 2024 so viel Mittel bereitstünden wie in diesem Jahr. Die Ankündigung, für die dem Innenministerium unterstehende Bundesanstalt, wird nicht nur von Thomas Krüger, seit 2000 Präsident der bpb, mit Applaus aufgenommen. Er, Alexander Wohning (DVPB) und Wilfried Klein (Bap) führen in Sinn- und Zielsetzung des Bundeskongresses ein. Hauptredner des Eröffnungsabends sind Prof. Dr. Naika Foroutan, Leiterin des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung, Berlin, und Dr. Raj Kollmorgen, Soziologe und Professor für Management sozialen Wandels.
Politische Bildung muss in der Gegenwart mit Pluralität und Ambivalenz zurechtkommen. Vielfalt und Zwiespältigkeit der Gesellschaft stellen hohe Anforderungen an diejenigen, die als Bildungsträger von Amts wegen oder auf ehrenamtlicher Basis politische Bildung vermitteln. 28,7 Prozent der Bevölkerung in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, davon sind etwa 40 Prozent unter 18 Jahren, die es mit den politischen Bildungsangeboten zu erreichen gilt. Migration hat sich zu einer Herausforderung für die Demokratie entwickelt. Kollmorgen stellt fünf Thesen in den Raum. Eine ist, dass Existenz und Dimensionen der sozial-ökologischen Transformation umstritten ist, eine andere, dass die Aufgabe politischer Bildung nicht nur in einer nachlaufenden, sondern in einer vorlaufenden Debatte zu erfolgen hat. Der Ausklang des ersten Tages findet bei einem Empfang statt. Dabei können sich die Teilnehmer über die Angebote der verschiedensten Bildungsträger und Verlage informieren. Sie zeigen im Aussteller-Markt, welche Vielfalt an Schriftmaterial zur schulischen und außerschulischen Bildung angeboten wird. Besonders gefragt ist, Material zu den aktuellen Weltkrisen wie Ukrainekrieg, Nahostkrieg und immer wieder die Klimakrise
Für den zweiten Tag konnten die Teilnehmer ihr Interessengebiert bei der Anmeldung aus neun Sektionen auswählen. Das war schon bei der Anmeldung möglich. Das reichhaltige Themenspektrum umfasste u.a. Gesellschaftstheorien, Demokratisierung, Nachhaltigkeit, Post-Kolonialismus, Kritik der Postmoderne, Von der Globalisierung zurück zu De-Globalisierung, Politische Bildung und Konflikte, Ukraine.
Wie der Angriff der Terrororganisation Hamas am Samstag, dem 7. Oktober auf Israel erlebt wird, schildert Anita Haviv aus Tel Aviv in einer kurzfristig organisierten Videoschaltung. Die Tochter einer Holocaustüberlebenden ringt nach Worten, um die Grausamkeiten zu schildern, die die Hamas ihren Landsleuten angetan hatten. Nach diesen Massakern im Morgengrauen mit über 1400 Toten jeden Alters und der Gefangennahme von über 240 Geiseln ist die Hoffnungslosigkeit auf ein Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinensern in weite Ferne gerückt. Wie konnte das nur passieren? An dieser Frage wir noch viel innenpolitisch aufzuarbeiten sein.
Nach Anita Haviv versucht die Nahost-Expertin Muriel Asseburg, Mitarbeiterin der Stiftung Wissenschaft und Politik, die augenblickliche Situation Israel/Palästina und seiner Nachbarn einzuordnen und einen Blick in die Zukunft zu werfen. Einzelheiten würden den Rahmen des Beitrages sprengen, letztlich sagt sie „Wir reden von Tag zu Tag“.
Der für Bildung, Jugend und Sport des Freistaates Thüringen zuständige Minister Helmut Holter ist am zweiten Veranstaltungstag beim Kongress und betont die Bedeutung politischer Bildung, die in Thüringen vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung, einen hohen Stellenwert hat. Wobei die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen nicht zu seinem Geschäftsbereich gehört, sondern der Staatskanzlei zugeordnet ist. Während des Kongresses wurde den Teilnehmern drei Fragen gestellt: Was ist die größte Herausforderung der politischen Bildung? Was nehmen Sie vom Kongress mit? Wie sieht die politische Bildung der Zukunft aus? Aus den Antworten können die Veranstalter Lehren für ihre zukünftige Arbeit ziehen.
„Vergangenheit und Gegenwart lehren uns, Demokratie nicht als selbstverständlich anzusehen“ formulierte Thomas Krüger in der Festschrift zum 70jährigen Jubiläum der GSP 2022 Frieden sichern - Freiheit bewahren. Und weiter: „Auch in vermeintlich stabilen Zeiten bleibt es unsere Aufgabe, sie vor Angriffen zu schützen und gleichzeitig die Freiheit aller Menschen im Denken und Handeln zu fördern und fordern. Diese im Grundgesetz verankerte Gradwanderung ist anstrengend, sie erfordert immer wieder aufs Neue Aushandlungsprozesse und Räume für Streit und Diskussion. Politische Bildung ist unentbehrlich - sie ermutigt die Bürgerinnen und Bürger auf dem Boden des Grundgesetzes für Ihre Überzeugung einzustehen.“