Die Schweiz will die Verteidigungsfähigkeit stärken – Vision und Zielbild2030

Die Schweiz will die Verteidigungsfähigkeit stärken – Vision und Zielbild2030

(Zum Foto: Der Chef der Armee, Korpskommandant Thomas Süssli (Mitte) bei der Pressekkonferenz zu CONNECTED)

Seit dem 24. Februar 2022 ist der Blick der Schweizer Bevölkerung auf die eigene Sicherheitspolitik geschärft worden. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, inzwischen im siebzehnten Monat, hat auch der Alpenrepublik gezeigt, dass der ewige Frieden noch nicht angebrochen ist. Die Schweiz gehört keinem militärischen Bündnis an und wäre im Falle eines Angriffs ausländischer Truppen auf sich gestellt. Seit dem Wiener Kongress 1815, erkennt die internationale Staatengemeinschaft die Neutralität der Schweiz an. Sie ist seither ein Fundament ihrer Außenpolitik, sie beteiligt sich nicht an Konflikten anderer Staaten und leistet keine bewaffnete Hilfe.

Nach Ende des Kalten Krieges hat die Schweiz ihr Neutralitätskonzept modifiziert. Im ersten Golfkrieg 1991 beteiligte sich das Land an Wirtschaftssanktionen gegen den Irak und engagierte sich im Projekt der NATO „Partnerschaft für den Frieden.“ Mit der Swiss Company (Swisscoy) wird die internationale friedensfördernde Mission Kosovo Force (KFOR) der NATO unterstützt. 2001 wurde in einer Volksabstimmung die Bewaffnung der Einsatzkräfte beschlossen. Aber schon seit 1953, dem Waffenstillstand im Koreakrieg, ist die Schweiz ununterbrochen mit Offizieren in der Neutral Nations Supervisory Commssion (NNSC) am 38. Breitengrad vertreten. Dieses Engagement kann als die eigentliche Geburtsstunde der militärischen Friedensförderung bezeichnet werden.

Ein weiterer Schritt zu einer aktiveren Neutralitätspolitik war die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen. Am 3. März 2002 fand hierzu eine Volksabstimmung statt, 54,6 Prozent der Stimmbürger waren für den Beitritt. Am 10. September wurde die Schweiz als 190 Mitglied in die Weltorganisation aufgenommen. Das vorher schon zahlreiche VN-Organisationen ihren Sitz in der Schweiz hatten, sei nur am Rande erwähnt. Die Schweiz ist Mitglied der OSZE, der UNESCO, der Welthandelsorganisation und auch im Schengener Abkommen.

Einige Anmerkungen zu Geofaktoren. Der Bundesstaat, die Confoederation Helvetica (CH), mit seinen 26 Kantonen hat eine Fläche von 41.290 km2 und liegt im Herzen Europas. Die Nord-Süd-Ausdehnung beträgt 220 km und die Ost-West 348 km. Es ist ein kleines Land, in Europa hat es größenmäßig Platz 20 und in der Welt 135. Seine Nachbarn sind im Norden Deutschland, im Osten Österreich und das Fürstentum Lichtenstein, im Süden Italien und im Westen Frankreich. Für die Umrundung bräuchte man 1935 Kilometer.   

Das Land wird in drei Geografie Zonen unterteilt. Die Alpen umfassen 58 Prozent, das Mittelland 31 Prozent und der Höhenzug des Juras 11 Prozent der Fläche. Auf die historische, geopolitische und militärische Bedeutung der Alpen kann hier nicht eingegangen werden. Der höchste Berggipfel ist die Doufourspitze mit 4636 m im Monte-Rosa-Massiv. Etwa. 23 Prozent der Landfläche liegt über 2000 m, die Durchschnittshöhebeträgt 1350 m über N.N. Die großen Flüsse Rhein, Rhone und Po haben ihren Ursprung in der Schweiz. Rund 1500 Flussläufe und Seen sind im Land vorhanden.

Etwa 8,8 Millionen Menschen leben in der Schweiz, davon Zweidrittel im Bereich des Mittellandes. Größte Stadt ist Zürich mit rd. 415.00 Einwohnern, gefolgt von Genf mit über 200.000 Einwohnern. Etwas über 60 Prozent sprechen Deutsch, der französische Sprachanteil liegt bei über 20 Prozent gefolgt von italienisch sprechen acht Prozent der Schweizer. Die vierte Sprache ist rätoromanisch, die im Kanton Graubünden auch als Amtssprache gilt. Bern, mit rd. 135.000 Einwohnern, ist die sogenannte Bundesstadt. Hier befindet sich der Sitz der Bundesversammlung (Parlament) und des Bundesrates (Regierung). Der Bundesrat besteht aus sieben Personen, wovon einer al primus inter pares die Funktion des Staatsoberhauptes wahrnimmt. Momentan ist es Alain Berset, dessen Stellvertreterin Bundesrätin Viola Amherd. Sie leitet das Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS)

Wenn von der Schweizer Armee gesprochen wurde, hörte man oft: „Die Schweiz hat keine Armee, die Schweiz ist eine Armee“. Gehen wir der Aussage einmal nach und begeben uns auf den Waffenplatz Kloten-Bülach, direkt neben dem Flugplatz Zürich. CONNECTED, nennt sich das Top-Event der Schweizer Armee. Vom 16. bis 20. August präsentieren sich 47 militärische Dienststellen und zivile Partner der Armee mit dem Fokus auf Cyber und Digitalisierung. Die „Bürgerinnen und Bürger in Uniform“, so bezeichnet das Faktenblatt die Soldatinnen und Soldaten, zeigen ihr gesamtes Leistungsspektrum und die Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen. Schweizerinnen in Uniform machen nur zwei Prozent aus, das Ziel der Armeeführung ist die Steigerung auf zehn Prozent bis 2030.

Den politischen Auftrag für die Armee kann man kurz in vier Punkten zusammenfassen. Sie soll Krieg verhindern, den Frieden sichern, die Bevölkerung verteidigen und die zivilen Behörden unterstützen. Sie besteht aus den Teilstreitkräften Heer und Luftwaffe, ihr Organisationsprinzip ist das Milizsystem. Dieses politische System beinhaltet, dass öffentliche Aufgaben meistens nebenberuflich ausgeübt werden. Um die Grundlagen dafür zu schaffen, sind die Schweizer Männer wehrpflichtig, Schweizerinnen können freiwillig dienen. Für die Dienstpflichtigen beginnen die ersten Schritte in der Rekrutenschule. Die Diensttage, noch im Dienstbüchlein festgehalten, werden zukünftig wird durch einen digitale Dienstmanager erfasst. Seit dem 1. Juni 2022 wird der Sold schon digital überwiesen.

Nach Ende des Kalten Krieges gab es auch in der Schweiz eine Armeereform, um sich den veränderten sicherheitspolitischen Gegebenheiten anzupassen. „Heute beginnen, um morgen zu bestehen“, ist ein Motto der Transformation. Mit der Armee XXI, 2003 beschlossen, erfolgte eine Reduzierung der Personalstärke auf rd. 200.000, davon 120.000 aktive Soldaten und 80.000 Reserve. Neu geschaffen wurde das Prinzip des „Durchdienens“, so dass der Wehrmann seine Dienstzeit an einem Stück absolvieren kann und keine Wiederholungskurse machen muss. In der Schweiz gibt es etwa 1,85 Mio. wehrtaugliche Männer und 1,8 Mio. wehrtaugliche Frauen. Im Vergleich zur Bundeswehr mit rd. 182.000 Soldaten bei rd. 37 Mio. Männern ist die Schweiz gut „gemustert“. Ginge es nach der Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) könnte man diese ganz abschaffen. Dadurch würde das Militärbudget von rd. 5.12 Mrd, Schweizer Franken (CHF) das sind rd. 7,2 Prozent des Steueraufkommens und 0,704 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entfallen. Diese Mittel könnten für andere Zwecke verwendet werden. Das Gesamt BIP 2022 betrug 771,22 Mrd. CHF. Die Schweiz hat eine der höchstentwickelten Volkswirtschaften und gehört zu den zehn reichsten Ländern der Welt. Das Durchschnittseinkommen liegt bei rd. 88.000 CHF. Im jüngst veröffentlichten „Global Waelth Report“ der Credit Suisse beträgt das Durchschnittsvermögen je Erwachsenen in Dollar in der Schweiz 685.000, in Deutschland 236.000.  Im Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen, einem Index für menschliche Entwicklung oder auch Wohlstandsindikator bezeichnet, kommt die Schweiz auf 0,962 und liegt damit auf dem ersten Platz der Weltrangliste.

Zurück auf den Waffenplatz. Der Chef der Armee, Korpskommandant Thomas Süssli hatte zur Pressekonferenz geladen und präsentierte dabei am 16. August, den Bericht „Die Verteidigungsfähigkeit stärken - Zielbild und Strategie für den Aufwuchs.“ Um ihren Auftrag erfüllen zu können, muss die Armee in allen Wirkungsräumen – Boden, Luft, Cyber-, Welt- und Information, ihre Verteidigungsfähigkeit stärken. Ausgehend vom sicherheitspolitischen Bericht des Bundesrates vom 24. November 2021 und dem Zusatzbericht vom 7. September 2022, hat der Bundesrat festgelegt, dass die Modernisierung der Fähigkeiten für die Verteidigung vorangetrieben und die Sicherheitspolitik konsequenter auf die internationale Zusammenarbeit ausgerichtet werden soll, was insbesondere für die Armee gilt.

 Der Armeechef formulierte das in drei Punkten. Militärische Fähigkeiten adaptiv entwickeln. Mit adaptiv meint er „in kleineren Schritten“ entwickeln, anstatt in umfassenden Reformen. Dadurch soll die Flexibilität für technologische Fortschritte erhalten bleiben und technologische Fortschritte genutzt werden, um die Leistung der Armee zu erhöhen. Die Technologien sollen sie in die Lage versetzen, qualitativ bessere Lageinformationen zu beschaffen. Dadurch kann die Truppe auf größere Distanz schneller und präziser wirken. Zudem werden Risiken in Kampfeinsätzen reduziert.

Beachtenswert sind seine Ausführungen zur internationalen Zusammenarbeit mit der Atlantischen Allianz, der Europäischen Union und den Nachbarstaaten. Bei Ausbildung, Übungen und auch Beschaffungen soll davon mehr Gebrauch gemacht werden. Mit dem Zielbild 2030 hat Thomas Süssli der Armee eine Vision vorgegeben, die natürlich die Finanzierung verlangt. Ihm ist klar, dass Streitkräfte Jahre brauchen um sich personell, materiell und technologisch nach- und aufzurüsten. Ausgegangen wird vom Bedarf von 13 Milliarden Franken bis zum Zieljahr. Der Bundesrat und das Parlament haben beschlossen, schrittweise das Budgets der Armee auf 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen.

Anfang 2024 soll der Bundesrat den eidgenössischen Räten überdies erstmals eine Armeebotschaft unterbreiten, welche die Fähigkeitsentwicklung in einem Zeithorizont von zwölf Jahren beschreibt und auch die geplanten Investitionsausgaben aufführt. Diese Botschaft wird dem Parlament eine bessere Grundlage für Entscheidungen geben, die die Weiterentwicklung der Armee betreffen. Für den Chef der Armee und seine Planer sicher ein weiterer Schritt der adaptiven Umsetzung die Verteidigungsfähigkeit zu stärken.


 

 

 

  

          

 

 

 

 

 

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