Seit 2004 gibt es die Petersberger Gespräche zur Sicherheit. Die nunmehr 18. Gespräche fanden am 17. Juni in Königswinter statt. Der Blick auf das Schlosshotel auf dem Petersberg (256 m), im Siebengebirge, blieb den 280 interessierten Teilnehmern dennoch nicht verwehrt.
Die Veranstalter, die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und die Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) hatten als Tagungsthema die „Zeitenwende in der Sicherheitspolitik - Deutschlands Weg in eine neue Ordnung“ gewählt. Anlass ist der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 und die Rede von Bundeskanzler Olaf Scholz zur „Zeitenwende“ im Deutschen Bundestag drei Tage später. Inzwischen dauert der Krieg 16 Monate und ein Ende ist nicht abzusehen.
Wolfgang Hellmich, MdB, Sprecher der Arbeitsgruppe Sicherheits- und Verteidigungspolitik der SPD-Fraktion, begrüßte, auch im Namen des Präsidenten der GSP, Hans-Peter Bartels. Er erinnerte dabei an den Volksaufstand vom 17. Juni 1953 in der ehemaligen DDR. Es war der erste Versuch im Ostblock sich von der kommunistischen Gewaltherrschaft zu befreien, der von den Sowjets blutig niedergeschlagen wurde. Es sollte allen eine Mahnung sein, die heute kritisch auf die Verteidigung der Ukrainer gegen einen russischen Angriffskrieg blicken.
Den Einstieg leistete Jasper Wieck, Politischer Direktor im Verteidigungsministerium. Das von Kanzler Scholz verkündete Zeitenwende-Programm stellt Deutschland vor große Herausforderungen. Er erinnerte an das einstige Tabu deutsche Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Inzwischen hat es ein Umdenken gegeben, nicht nur militärisch, sondern auch in der Energie- oder Sanktionspolitik. Russland hat den Krieg angefangen, es darf den Krieg nicht gewinnen, sonst wird es seine revisionistischen Bestrebungen auf andere Gebiete ausdehnen. Die drei baltischen Staaten, ehemalige Sowjetrepubliken, in denen anteilig Russen wohnen, befürchten besonders eine Expansion Russlands. Deutschland, nach den USA der zweitgrößte Unterstützer der Ukraine, wird sich wirtschaftlich und militärisch weiter engagieren. Die Nationale Sicherheitsstrategie (NSS) weist den Weg in die Zukunft.
Elke Löbel, vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung betonte, dass Entwicklungspolitik nachhaltige Sicherheitspolitik ist. Soziale Ungleichheiten sind die Treiber von Konflikten und Kriegen, besonders auf dem afrikanischen Kontinent. Die Zunahme von Fluchtbewegungen nach Europa sind täglich zu sehen.
Hans-Peter Bartels hatte die Gelegenheit auf der- etwas längeren Zugfahrt von Berlin – die NSS schon zu lesen. Manche Begriffe, wie Heer, Luftwaffe, Marine oder Reserve kommen darin nicht vor. Das militärische ist etwas stiefmütterlich behandelt. Beim Geld hätte man präziser Formulierungen erwartet. Dass das Zweiprozentziel in einem Regierungsdokument steht ist gut. Formulierungen des Bundeskanzlers zur Größe und Bedeutung Deutschlands in Europa lassen hoffen, dass Deutschland sich auch in seinen sicherheitspolitischen Entscheidungen so verhalten wird. Deutschland ist die zweitgrößte NATO-Nation und viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt. Gewisse Akzentverschiebungen hinzu Werten und deutschen Interessen kann man beobachten. Was bedeutet das alles für den Verteidigungsminister? Das erste Jahr der Ampelkoalition war verloren. Pistorius muss jetzt das Personal um sich sammeln, mit denen er die Herausforderungen der Strukturreform der Bundeswehr umsetzen will. Von der Einsatzarmee hin zur kollektiven Verteidigung, Landes- und Bündnisverteidigung stehen nun an erster Stelle. Die ganze Bundeswehr muss der Abschreckung dienen, sie muss einsatzbereit sein. Die Beschleunigung der Beschaffungen ist eine dringende Aufgabe. Alles Material was die Bundeswehr an die Ukraine abgegeben hat, muss ersetzt werden. Der alles entscheidende Faktor für ihn wird die Höhe des Verteidigungshaushaltes sein. Der Einzelplan 14 (Verteidigungsministerium) sieht 50,1 Mrd. Euro für dieses Jahr vor, das wird in Zukunft nicht ausreichen. Bartels plädierte für mehr europäische Kooperationen. Dadurch könnte manche billiger und schneller umgesetzt werden. „Tempo und Neues Denken“ fordert der ehemalige Wehrbeauftragte.
General Carsten Breuer, Generalinspekteur der Bundeswehr, ließ es sich nicht nehmen am „Tag der Bundeswehr“ zu referieren. Mit einer „Lagefeststellung und Blick nach vorn“, machte er eine Tour d`Horizon auf die Auswirkungen, die die ausgerufene Zeitenwende für die Bundeswehr aktuell, mittel - und längerfristig bedeutet. „Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif, wir müssen unser Mindset ändern“, das sind Anforderungen an Politik und Truppe. Denkweisen, Überzeugungen und Verhaltensmuster müssen sich ändern. Der GI erwartet, dass mit der NSS mehr Aufmerksamkeit auf gesamtgesellschaftliche Resilienz erreicht wird. Celia Pelaz, Hensoldt AG, referierte über das nicht immer spannungsfreie Verhältnis der Rüstungsindustrie zur Bundeswehr. Den Schlusspunkt setzte Oberst André Wüstner, Vorsitzender des Deutschen BundeswehrVerbandes. Den Schlusspunkt setzte Oberst André Wüstner, Vorsitzender des Deutschen BundeswehrVerbandes. Die operative Umsetzung der NSS meinte er, ist die aktuelle Herausforderung. Sie darf nicht ein „Papier“ bleiben, das in einer Schublade verschwindet. Die Gesellschaft ist durch den Krieg in der Ukraine sicherheitspolitisch sensibilisiert und bereit Lasten zu tragen. Der Verband wird genau hinschauen, wie die verschiedenen Politikfelder umgesetzt werden. Personal und Material der Bundeswehr sollten im Vordergrund stehen. Für den sicherheitspolitischen Kulturwandel in Deutschland müssen sich allerdings alle Bürger engagieren.
Fotos: GSP/Wehnes