In den europäischen Staaten aber auch jenseits des Ozeans richten sich die Blicke verstärkt auf das Atlantische Sicherheitsbündnis, die NATO. Die Gründe liegen auf der Hand. In mehreren Beiträgen auf der Homepage ist intensiv darauf eingegangen worden. Dieser Beitrag blickt zurück auf die Entwicklung der Atlantischen Allianz bis zum Bündnisbeitritt Nordmazedoniens 2020.
Zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges schlossen Großbritannien und Frankreich - im Falle einer Kriegsgefahr, die nur von Deutschland ausgehen konnte - ein Beistandsbündnis. Mit dem Vertrag von Dünkirchen vom 4. März 1947 sollte dem vorgebeugt werden. Konkrete Gründe für diesen Vertrag gab es nicht. Bereits 1940 hatte der englische Premierminister Winston Churchill seine Idee öffentlich geäußert, eine britisch-französische Union errichten zu wollen.
Die politische Entwicklung nach 1945 in Europa
Nach Kriegsende wurden die weltpolitischen Schwergewichte neu verteilt. Europas zentrale Rolle war verloren gegangen. Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Sowjetunion hatten die führenden Stellungen, in der durch neue Macht- und Interessengruppen nun zweigeteilten Welt, übernommen. Nach Kriegsende verringerten die USA ihre konventionellen Streitkräfte. Als einzige Atommacht glaubten sie jeder Aggression begegnen zu können. Die Sowjetunion hingegen dehnte ihr Herrschaftsbereich in Europa zielgerichtet aus. Deutschland war von den Alliierten besetzt und in vier Besatzungszonen, Berlin in vier Sektoren geteilt.
Rede vom „Eisernen Vorhang“ 1946
Winston Churchill, der im Juli 1945 als Premierminister der Konservativen zurück- treten musste, weil die Labour-Partei bei den Parlamentswahlen gesiegt hatte, war im März 1946 Gast von Amerikas Präsident Harry S. Truman. Im Beisein des amerikanischen Präsidenten hielt er am 5. März 1946 seine „Eiserne Vorhang“ Rede in Fulton/Missouri. Er plädierte für eine Politik der Stärke gegenüber der Sowjetunion, die in ihrer Zone ein pro-kommunistisches Deutschland aufzubauen versuche.
Ruinen ihrer Stätte und Behausungen“
Ein halbes Jahr später, am 19. September, sprach Churchill in der Aula der Züricher Universität. Hier fielen die Worte „Tragödie Europas“ die nicht beendet sei, weil in weiten Gebieten ungeheure Massen zitternder menschlicher Wesen gequält, hungrig, abgehärmt und verzweifelt, auf die „Ruinen ihrer Städte und Behausungen“ starrten und düster den Horizont absuchten „nach dem Auftauchen einer neuen Gefahr, einer neuen Tyrannei und eines neuen Schreckens“. Er forderte die „Neuschöpfung der europäischen Völkerfamilie“ und „eine Art Vereinigte Staaten von Europa“. Er griff seine Idee wieder auf, die er schon 1940 hatte, als er die Errichtung einer britisch-französischen Union anregte. Damals war der Grund die konkrete Bedrohung durch das Deutsche Reich.
Wiederaufleben eines Bündnisses
Da Churchill aber nicht mehr Premierminister war und die Labourregierung andere politische Schwerpunkte setzte, blieben diese Gedanken erst einmal Theorie. Durch den Zusammenschluss der britischen und amerikanischen Besatzungszonen zur sogenannten Bi-Zone, um die gravierenden wirtschaftlichen Probleme besser in den Griff zu bekommen, sah sich Frankreich veranlasst, sich enger mit Großbritannien zu verbinden. Hier spielte auch die Tradition der 1904 geschlossenen „Entente Cordiale“ eine Rolle. Der Vertrag richtete sich gegen Deutschland für den Fall, „daß Deutschland eine Angriffspolitik einschlägt oder irgendeine Initiative ergreift, die eine solche Politik möglich macht“.
Historischer Ort der Vertragsunterzeichnung
Die französische Hafenstadt Dünkirchen an der Kanalküste hatte im Zweiten Weltkrieg eine bedeutende Rolle gespielt. Im Mai 1940 wurden hier das Britische Expeditionskorps (British Expedionary Forces/EFB) und Teile der geschlagenen französischen Armee von Truppen der Wehrmacht eingekesselt. In einer beispiellosen Evakuierungsaktion gelang es der britischen Marine über 338.000 Soldaten, darunter 123.000 Franzosen, vom Festland nach England zu evakuieren. Die „Operation Dynamo“ vom 26. Mai bis 5. Juni war ein Erfolg, der in England wie ein Sieg gefeiert wurde. Die zurückgeholten Truppen bildeten die Kader für die Invasionsarmee, die dann am 6. Juni 1944 in der Normandie gelandet sind.
Vertragsabschluss für 50 Jahre
Großbritannien und Frankreich sagten sich, im Falle eines Angriffs von Deutschland, gegenseitige Hilfe zu. Aber unabhängig davon wurde auch eine wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit vereinbart. Durch den Vertrag versprach sich die französische Regierung zudem eine Verbesserung ihres innenpolitischen Ansehens. Die britischen Interessen sind nicht klar definierbar. Sicherlich wollte man den Franzosen mit dem Vertrag deutlich machen, dass sich Dünkirchen nicht wiederholen dürfe. Großbritannien hatte sich ausdrücklich verpflichtet Frankreich bei einem Angriff zu verteidigen. Großbritannien machte damit den ersten Schritt zu einer sicherheitspolitischen kontinentaleuropäischen Verpflichtung.
Brüsseler Pakt und North Atlantic Treaty Organisation (NATO)
Ab 1947 zeichnete sich immer deutlicher der beginnende Ost-West-Konflikt ab. Die neutralen Beneluxländer, Belgien, Niederlande und Luxemburg hatten am 17. März 1948 mit Frankreich und Großbritannien den Brüsseler Pakt (Westunion) geschlossen. Der nächste Schritt war die Gründung der NATO am 4. April 1949 in Washington. Die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, Norwegen, Dänemark, Island, Portugal und Italien waren die Vertragsunterzeichner. Angesichts zunehmender Bedrohung durch die Sowjetunion schlossen sich Griechenland und die Türkei als 13. und 14. Mitglied 1952 der Allianz an. Als 15. Mitglied trat die Bundesrepublik Deutschland am 6. Mai 1955 der NATO bei. Die Bundesrepublik hatte noch keine Soldaten. Erst am 7. Juni 1955 wurde aus dem Amt Blank das Bundesministerium für Verteidigung. Am 12. November wurden die ersten Soldaten ernannt. Durch die Einstellung von Freiwilligen, Übernahme eines Großteils des Bundesgrenzschutzes Mitte 1956 und die Einberufung von Wehrpflichtigen ab April 1957 war das Heer in der Lage am 3. Juli 1957 drei Heeresdivisionen und zwei Korpsstäbe der NATO zu unterstellen.
Die weitere Entwicklung des Bündnisses
Bis 1982 gab es keine Beitritte in das Atlantische Bündnis. 1982 war es dann Spanien, dass als 16. Mitglied aufgenommen wurde. Nach Ende des kalten Krieges und der Auflösung der Warschauer Vertragsorganisation, meist Warschauer Pakt genannt, schlossen sich im März 1999 Polen, Tschechien und Ungarn der NATO an. In der nächsten Erweiterungsrunde im März 2004 wurden die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen, sowie Bulgarien, Rumänien und die Slowakei aufgenommen. Fünf Jahre später waren es dann im April 2009 die beiden Balkanstaaten Albanien und Kroatien. Mit Montenegro im Juni 2017 und schließlich Nordmazedonien im März 2020 erweiterte sich die NATO auf 30 Mitglieder. Die Mehrheit der NATO-Mitglieder besteht aus EU-Ländern, es sind 21.
Gesucht wird ein neuer Generalsekretär
Trotz der Auflösung der Sowjetunion ist die NATO als Militärbündnis bestehen geblieben. Sie dient der Unterstützung ihrer Mitgliedsländer in militärischen Konflikten. Wird ein NATO-Mitglied angegriffen, sieht der Artikel 5 des Vertrages vor, dass dies ein Angriff gegen alle NATO-Mitglieder ist. Der Artikel 5 ist Kern des Bündnisses. Bisher gab es seit Gründung der NATO nur einen Bündnisfall, nach den Anschlägen am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York. 15. NATO-Generalsekretär ist seit 2014 der ehemalige norwegische Regierungschef Jens Stoltenberg. Er wird das Amt Ende September abgeben und im Dezember Chef der norwegischen Zentralbank werden. Die Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin hat begonnen. Bisher waren jeweils drei Briten, Niederländer, Italiener, zwei Belgier und jeweils ein Spanier, ein Däne und ein Deutscher höchster politischer Repräsentant der NATO. Verteidigungsminister Manfred Wörner, wurde am 11. Dezember 1987 zum Generalsekretär gewählt. Mitte des Jahres1988 löste er den Briten Lord Peter Carington ab. Seine Amtszeit war gekennzeichnet vom Ende des Kalten Krieges und den sich daraus ergebenden Umstrukturierungen des Verteidigungsbündnisses. Seine letzte politische Entscheidung war das Konzept der „Partnerschaft für den Frieden“. Den Einsatz von NATO-Truppen beim Bürgerkrieg auf dem Balkan erlebte er schon von Krankheit gezeichnet. Kurz vor seinem 60. Lebensjahr starb Manfred Wörner am 13. August 1988 in Brüssel. Die Gesamtstärke der NATO-Truppen beträgt etwa 3,46 Millionen Soldaten, hinzu kommen noch rund 2,1 Millionen Reservisten.