Eine Krise völlig ungeahnten Ausmaßes erfasst derzeit die ganze Welt. Niemand vermag heute seriös zu bewerten, was die globale Verbreitung des neuartigen Corona-Virus aktuell bedeutet, ob und wann sie halbwegs beherrschbar wird oder gar endet – und auch, zu welchen Folgen sie auf längere Sicht führt. Wir finden uns plötzlich in einer Lage wieder, die in Art und Rasanz auch an das erinnert, was Clausewitz seinerzeit – wenn auch vor anderem Hintergrund – als Nebel im Gefecht bezeichnet hat. Jedenfalls verbinden sich derzeit hochgefährliche, exponentiell fortschreitende Risiken mit verzweifelten Versuchen einer Schadensbegrenzung und einer irritierenden Ungewissheit über die weitere Entwicklung.
Die Meldungen, Analysen, Theorien und Prognosen zur Corona-Krise überschlagen sich derzeit, flankiert auch von gezielten Fake News und vagen Verschwörungstheorien. Kein Wunder, haben wir es doch mit einer Herausforderung zu tun, die kaum eine Region verschont und zugleich für viele nahezu existenziell zu werden droht. Nicht alle Einschätzungen in Wissenschaft und Politik decken sich. Aber unter dem Strich ist eine bittere These wohl unbestritten: Corona wird lokal, regional und global keinen Stein auf dem anderen lassen. Wir müssen und werden also umdenken müssen, vieles neu justieren, uns von so manchen Gewohnheiten verabschieden und vieles, was uns bisher als selbstverständlich erschien, kräftig überdenken müssen. Kurz: Unser ganzes politisches, wirtschaftliches, kulturelles und gesellschaftliches Dasein braucht neue Fundamente oder zumindest einen selbstkritischen Test der alten – angefangen von einzelnen Aspekten der Globalisierung bis hin zu den täglichen Lebensgewohnheiten eines jeden einzelnen.
Das alles betrifft auch oder vielleicht sogar in erster Linie die Sicherheitspolitik. Die Corona-Krise führt uns extrem drastisch und damit umso schmerzhafter den Zwang vor Augen, sicherheitspolitisches Denken und Handeln heute breit und tief zugleich anzulegen. Alle Politikbereiche sind auf direkte Weise betroffen, und zugleich bedarf es sowohl nationaler wie internationaler Antworten. Eindimensionale oder partikulare Konzepte greifen jedenfalls nicht, so viel ist gewiss. Kluge Verzahnung und Ergänzung sind geboten. Und natürlich Weitsicht.
Mit diesem Blog wollen wir einen Beitrag leisten, einen Dialog über die sicherheitspolitischen Herausforderungen der Corona-Krise zu führen. Dabei soll es weniger um die Frage gehen, was aktuell zu tun ist, um das Virus einzudämmen. Dazu und zu Hinweisen zu persönlichem Verhalten gibt es derzeit hinreichende Diskussionen an anderen Stellen, bis hin zu mehr oder weniger hilfreichen Ad-hoc-Vorschlägen. Nein, uns geht es hier vorrangig um eine übergreifende Betrachtung der Corona-Folgen jenseits von akutem Konfliktmanagement. Kurz gesagt: Auf was müssen wir uns nun mittelfristig einstellen? Halten die Pfeiler unserer multilateralen Ordnung und unserer Sicherheitsarchitektur der neuen Lage stand? Was sind die geopolitischen und geostrategischen Implikationen? Sind wir so vorbereitet, dass uns Krisen wie die gegenwärtige nicht überfordern? Welche Rolle spielen die einzelnen Akteure der Sicherheitspolitik in einem Szenario wie diesem – bis hin zu den militärischen? Bedeutet das föderale System eher Vor- oder Nachteile für das Katastrophenmanagement im Fall einer Pandemie? Haben wir konsequent und sinnvoll vorgesorgt – und wenn nein: warum nicht? Welche Lehren haben wir für die Zukunft zu ziehen? Wo und wie also müssen wir in Deutschland, Europa und in der globalen Völkergemeinschaft unsere sicherheitspolitischen Ansätze überdenken?
All diese Fragen lassen sich nicht in einem einzigen Diskussionsstrang bewältigen. Im Gegenteil: Wenn wir versuchen wollten, alles auf einmal zu debattieren, würden wir uns heillos verzetteln und damit beim Versuch eines Erkenntnisgewinns scheitern. Das Thema ist schlichtweg viel zu facettenreich. Daher möchten wir wie folgt vorgehen: Wir werden in den nächsten Tagen und Wochen nach und nach jeweils nur einen Ausschnitt betrachten und zur Diskussion stellen. Das bedeutet nicht, dass mit einem neuen Blogbeitrag das bisher Debattierte abgeschlossen sei. Nein, ganz im Gegenteil!
Zuletzt nur noch ein Hinweis an alle, die sich gern beteiligen möchten: Sie müssen – falls nicht schon geschehen – nur vor Ihrem ersten Kommentar eine kurze Registrierung durchlaufen. (Wir haben uns für dieses Procedere entschlossen, um eine seriöse Diskussion sicherzustellen, also Bots und radikale Stimmen auszuschließen.) Nach Ihrer Registrierung können sie verzugslos und beliebig oft in die Debatte eingreifen. Es lohnt sich also, so bald wie möglich diese kleine Eingangshürde zu nehmen. Sie können auch gerne schon mal diesen Einstiegsbeitrag kommentieren – erstens um Ihren Zugang zu testen, und zweitens um konzeptionelle Vorschläge zu unseren Debattenforum zu machen. Vor allem wären wir daran interessiert zu erfahren, welche sicherheitspolitischen Facetten, die im Zusammenhang mit Corona stehen, aus Ihrer Sicht einer eingehenden Betrachtung bedürfen. Das greifen wir dann gerne auf.
Trotz schwieriger Zeiten: Wir freuen uns auf möglichst viele Kommentare. Lassen Sie uns dabei nach vorn schauen!
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